Down Under

Nach drei Wochen auf Tonga versetzt uns der Flughafen Sydney, auf dem wir einen kurzen Zwischenstop einlegen, mit seiner breiten Auswahl an Shopping-und Verpflegungsmöglichkeiten zurück in die uns bekannte westliche Konsumwelt. Alle unsere Sinne werden angeregt oder besser über-erregt. Es riecht nach einem Potpourri aus Parfums und Cremes, der Boden glänzt hell. Überall werden angeblich unwiderstehliche Schnäppchen beworben, Musik der Boutiquen mischt sich mit den Durchsagen zu den Flügen und den Telefongesprächen der geschäftig umher rennenden Passagiere. Wir sind wieder an einem uns vertrauten Ort angekommen, wohl fühle ich mich allerdings nicht. Dieses Gewusel ist im Moment zu viel für mich. Dennoch bin ich dankbar über die grosse Auswahl an gutem und gesundem Essen, das uns hier geboten wird. Wir kaufen uns je einen üppigen Salat, verkrümeln uns in eine Ecke und fragen uns, diese Flughafenszene beobachtend, welchen Eindruck wohl die Tongaer haben müssen, die zum ersten Mal nach Australien fliegen und hier landen.

Ist das Fluch oder Segen für sie?

In Melbourne angekommen möchten wir gleich zu unserer Unterkunft, die im Stadtteil Heidelberg West liegt. Wir fahren an einer Dresden Street vorbei, sehen einen Aldi und biegen in die Altona Street ab. Willkommen daheim. Naja, fast. Anders als zu Hause sind wir hier Anfang Mai mitten im Herbst. Von den Laubbäumen fallen gelb – orangene – rote Blätter und in ihnen sitzen Scharen von laut schreienden, bunt gefiederten Papageien. Die Zikaden, die überall auf den Bäumen und Strommasten trommeln, scheinen mit dem Federvieh im Wettstreit um den lautesten Ton zu stehen. Am Strassenrand sehen wir jede Menge Eukalyptusbäume, die einen intensiven für uns ungewohnt-aromatischen Duft versprühen. Gleichzeitig werden wir Zeugen eines dramatisch schönen Sonnenuntergangs. Diese Art von Reizüberflutung gefällt mir allerdings viel besser als die auf dem Flughafen – ich bin gespannt, was uns Australien in den nächsten drei Wochen noch zu bieten hat. 

Die Tage in Melbourne vergehen schnell. In unserem AirBnB fühlen wir uns Dank der überaus freundlichen Gastgeberin, ihren zwei süssen Hunden und unseren schottischen Mitbewohnern sehr wohl. Zu viert besuchen wir einige der Sehenswürdigkeiten, verbringen einen ganzen Tag im Stadtmuseum, schlendern durch ein paar der zahlreichen Parks und können an einem Abend sehen, wie die Pinguine zurück an Land kommen. Die Bucht in dem Stadtteil St. Kilda ist eine der wenigen Orte weltweit, an der sich eine Pinguinkolonie an einer von Menschen errichteten Bucht angesiedelt hat und sich weder vom Stadtgetümmel noch von den vielen Touristen gestört fühlt.

Am letzten Tag holen wir unseren Campervan ab. Da es keine Hochsaison mehr ist, bekommen wir vom Vermieter ein kostenloses Upgrade. Ist das ein Upgrade oder sind das drei Upgrades? Was uns da geboten wird, ist ein „Tiny House“ mit Mercedes-Benz-Antrieb – das Auto ist drei mal so gross wie unser lieb gewonnener „Papa Schlumpf“ in Neuseeland. In ihm gibt es weit mehr als wir brauchen. Sogar ein Kühlschrank ist hier drin. Einen Namen hat dieses Gefährt jedoch nicht auf seiner Tür zu stehen und so taufen wir es kurzerhand „Das lange Elend“. Es wird uns in den nächsten 10 Tagen von Melbourne nach Adelaide bringen. 

Gleich außerhalb der Metropole treffen wir auf unsere erste Gruppe Kängurus. Was in der Schweiz die Kühe sind, sind in Australien die Kängurus. Sie stehen friedlich grasend vor uns und wissen nicht, wie besonders ihr Anblick für uns gerade ist. Der Kopf ist ganz nah am Boden, die kleinen Vorderpfötchen hängen locker herunter, das gesamte Gewicht des Tieres ruht auf den Hinterbeinen und auf dem riesigen, dicken Schwanz. Wir trauen uns noch ein Stückchen näher heran. Die Gruppe besteht aus einer Vielzahl mittelgrosser Exemplare, einigen Kleinen und einem sehr stattlichen Tier. Dieses sieht uns auch zuerst. Es richtet sich auf, schaut uns an, schnüffelt ein wenig in unsere Richtung und entscheidet sich, davon zu hüpfen. Auch die anderen gucken nun hoch und machen es dem Anführer nach. Ich bin fasziniert, was für riesige Hopser diese Tiere machen und wie leicht ihnen dieses Hüpfen zu fallen scheint.

Auf unserer Reise begegnen wir noch vielen Kängurus und begeistert von ihrem Körperbau und ihren runden, braunen liebevollen Augen bleibe ich immer stehen, um sie zu beobachten. Die einzigen Momente, in denen wir auf keine der grossen Beuteltiere treffen wollen ist, wenn es draussen dämmert und wir noch mit dem Auto unterwegs sind – das ist die gefährlichste Zeit und die Unfallrate ist hoch. Zu viele der wunderschönen Tiere liegen rechts und links tot am Strassenrand. 

Wir fahren die berühmte und beliebte Küstenstrasse „Great Ocean Road“ entlang, machen aber auch immer wieder Abstecher ins Landesinnere, wo wir uns Wasserfälle anschauen, einen wunderschönen Spaziergang durch ein Stückchen des ursprünglichen Regenwaldes machen, auf eine fleischfressende Schnecke stossen und sogar einmal auf wilde Koalas treffen. 

Die Strecke an der Küste entlang ist so schön, dass wir alle paar Kilometer einen kleinen Stop einlegen, um die Natur zu bestaunen und Fotos zu machen.

Je näher wir dem Städtchen Port Campbell kommen, auf desto mehr andere Autos, Campervans und Reisebusse treffen wir. Denn hier in der Nähe steht die nach dem Uluru (früher „Ayers Rock“) meistfotografierte Sehenswürdigkeit Australiens – die zwölf Apostel. Dies sind jedoch weder die bekannten Freunde von Jesus, noch sind es zwölf. Es handelt sich hierbei um Felsformationen, die das Meer über Millionen von Jahren geformt hat. Jedes Jahr spülen die Wellen rund einen Zentimeter der Kalksteilküste ab. Nur die Bereiche, an denen der Stein fester ist, trotzen dem Meer und bleiben bestehen. So entstanden ganz langsam diese um die 60 Meter hohen Felsbrocken. 

Früher hiessen diese Steinsäulen übrigens „die Sau und die Schweinchen“, aber irgendjemand hat wohl in den 60er Jahren gedacht, dass „Zwölf Apostel“ seriöser klingt und mehr Touristen anlocken könnte. Oh ja, die Touristen sind auf alle Fälle da. Der Parkplatz war, obwohl Nebensaison, voll und wir fühlten uns schlagartig nach Asien versetzt. 

Nach diesem Highlight fahren wir wieder weg vom Meer und bekommen eine Idee, wie das Land abseits der Küste aussehen mag. Es ist sehr trocken und sandig. Auch in diesem Sommer fiel in dieser Region wenig Niederschlag. Die Menschen und die Natur litten erneut unter Rekordhitze.

Ein rosa schimmernder Salzsee ist fast ausgetrocknet. Er wirkt auf eine sehr bizarre Weise wunderschön.

Im Mai waren in Australien Wahlen – bei all den Wetterextremen mit denen das Land in den letzten Jahren zu kämpfen hat, ist es uns nicht verständlich, wieso ein konservativer Politiker, ein bekennender Kohleabbaufreund im Amt bleiben darf. Ein Umdenken im Klimaschutz wird es wohl von staatlicher Seite am anderen Ende der Welt nicht geben. Die Australier, mit denen wir nach dieser Wahl gesprochen haben, waren stark enttäuscht und verärgert – zu Recht.  Und trotzdem verlieren sie nicht Ihren Humor. Dieses Plakat ist uns positiv aufgefallen. Darauf ist in Grossbuchstaben folgendes zu lesen:

Besorge dir einen Schwimmreifen.*

Und ganz unten, ganz klein kommt die Auflösung:

*Der Meeresspiegel steigt weiter an. Diese Nachricht wird dir im Namen des Klimas übermittelt. 

Denn wenn schon die grosse Flut kommt, verhelfen einem die Schwimmreifen wenigsten dazu, den Kopf über Wasser zu halten und in Down Under nicht wortwörtlich „unten drunter“ zu sein. 🙂

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