Malaiische Häppchen

Neben den Tauchabenteuern an den Stränden Malaysias und unserem Einsatz für die Sonnenbären auf Borneo, haben wir uns auch zwei Städte des Landes angeschaut. So haben wir einen kleinen Einblick in die Kultur des Landes erhalten und einiges an Kuriosem kennengelernt.

Kuriosität Nr 1: Coffee to go in der Plastiktüte

Von Mersing an der Westküste der Halbinsel nehmen wir einen Bus nach Melaka. Für die 250 Kilometer braucht der Bus ungefähr vier Stunden. Das ist mir zu lange, um die Fahrt ohne meinen geliebten Kaffee anzutreten. Zum Glück gibt es auch hier überall reichlich Essenangebote und so bestelle ich einen Kaffee zum Mitnehmen. Anstatt eines Bechers gibt es allerdings eine Plastiktüte mit brauner Brühe.

In Melaka werden wir herzlich von unseren Gastgebern Teena und Lee empfangen. Wir bekommen sofort selbstgebackene Kekse und hach, einen Kaffee in einer Tasse angeboten. So gefällt es mir. Wir sind uns gleich sympathisch. Beide sind in meinem Alter, sie ist muslimische Malaiin mit spanischen und chinesischen Wurzeln und er kommt ursprünglich aus England. Auch eine kleine Katze, die die süsse Angewohnheit hat, ihre Zunge ständig raushängen zu lassen, wohnt bei ihnen.

Ihr Haus steht im Herzen der Altstadt. Es handelt sich um ein sehr altes Gebäude mit etwa fünf Meter Strassenfront, dafür aber rund zwanzig Meter Tiefe. Diese Architektur entspricht den alten chinesischen Handels- und Handwerkerhäusern wie sie hunderte Jahre hier betrieben wurden. Im unteren Bereich wurde gearbeitet und gekocht, während die oberen Bereiche für das Schlafen reserviert waren. Dort befindet sich auch unser gemütlich eingerichtetes Zimmer. 

Das Haus sowie ein grosser Teil des Stadtkerns versprühen den Charme einer vergessenen Kolonie. Die Spuren der jahrhundertelangen Besetzungen durch Portugiesen, Holländer und am Ende durch die Briten sind allgegenwärtig. Vor dem ehemaligen Rathaus steht eine Windmühle und daneben eine mäßig gelungene Kuh aus Kunststoff. 

Kuriosität Nr 2: Mitten in Holland 

Die Vielzahl der kleinen Cafe´s, Restaurants, Bars, Galerien und Kunstgeschäfte sind der ultimative Beweis dafür, das dieser Ort schon lange kein Geheimtipp und bei Touristen aus der ganzen Welt äusserst beliebt ist. Auch ich mag dieses Plätzchen. Die Stimmung ist entspannt. Mir gefällt diese Mischung aus Kultur, Geschichte und Moderne. Noch scheinen sich lokale und touristische Bewohner nicht das Leben gegenseitig schwer zu machen und das Mass für alle erträglich zu sein.

Zusammen mit anderen Besuchern auf Zeit nehmen wir das Angebot an und kochen einen Abend lang gemeinsam mit unseren Gastgebern in der grossen offenen Küche, in der wir sonst frühstücken. Unserem Wunsch entsprechend gibt es ein vegetarisches Menü. Ich lerne von unseren Mitköchen, wie man argentinische Empanadas liebevoll füllt und den Teig richtig mit kleinen Zöpfchen schliesst. Die Zutaten sind alle frisch und reichlich. Die von Teena gezauberte malaiische Tofuvariante kannte ich nicht, schmeckt mir aber ganz besonders gut. 

Ein vermeintlich typisch deutsches Gericht wie etwa eine Schweinshaxe mit Sauerkraut wollen wir nicht anbieten, dafür zeigen wir ihnen, wie man eine vegane Mousse au Chocolat im Handumdrehen zaubert. Während der Zubereitungen bleibt Zeit, sich mit Louisiana und Nico zu unterhalten. Beide kommen aus Argentinien und waren zuvor wie wir in Neuseeland, allerdings eher zum Geldverdienen. Mit dem Ersparten waren sie einige Wochen in Indonesien unterwegs, um jetzt hier wieder für Kost & Logis zu arbeiten. Dabei geht es eher um kleinere Aufräum-, Maler- und Reparaturarbeiten, die selten einen vollen Tag benötigen. Anders als wir planen sie keine Wiederkehr in die alte Heimat. Die andauernde Wirtschaftskrise in dem südamerikanischen Staat, die permanente Geldentwertung und die hoffnungslosen Zukunftsaussichten nennen sie als Gründe.

Nach dem Essen folgen wir der Empfehlung unserer Gastgeber und besuchen ein paar Strassen weiter eine alte Bar, die ihre Lizenz noch aus der Besatzungszeit der Japaner hat, was also rund 75 Jahre her ist. Es war damals die erste Bar in Melaka, an dem Alkohol offiziell verkauft werden durfte, was damals eine Ausnahme in dem von Muslimen dominierten Land war.

Kuriosität Nr 3: Malaien trinken normalerweise keinen Alkohol, dennoch ist er überall verfügbar. 

Als wir davor stehen, wirkt das verschlossene Gitter abweisend. Es dauert jedoch nicht lang, bis eine kleine ältere chinesisch aussehende Dame freundlich lächelnd öffnet. Sie wischt den Staub von den Barhockern und vom Tresen und bietet uns verschiedenes an Hochprozentigem in kleinen Verkostungsgläsern an. Zunächst schnuppere ich vorsichtig an den unterschiedlichen Flaschenöffnungen bis ich mich dann für einen …na, ihr wisst es schon: Kaffeeschnaps entscheide. Es brennt in der Kehle, aber irgendwie fühlt es sich nach dem üppigen Essen auch gut im Bauch an. Wir erfahren, das die Lizenz nur erhalten bleibt, wenn die Bar weiter von der Familie betrieben wird. Ihr Mann ist leider krank und ihr jüngster Sohn kann nicht immer unterstützen. Auch wenn die Regalwand mit all den unterschiedlichen Feuerwässerchen beeindruckt, bleibt mir nicht verborgen, das die besten Tage dieser Bar schon lange vorbei sind. Wer weiss, vielleicht wird dieses Kleinod seine Türen bald für immer schliessen.

Am Abend sind wir wieder zu zweit ein paar Strassen weiter spazieren. Die historischen Häuser, die Stadtmauer mit alten Geschützen der Portugiesen und Holländer sowie die schmalen Wege verleiten zum verträumten Schlendern. Wenn nicht, ja wenn nicht diese unglaublich lautschrill-bunten und blinkenden Rikscha-Taxis mit plärrender chinesischer und malaiischer Schlagermusik durch die Gassen fegen würden. Aber auch das gehört zu Melaka.

Kuriosität Nr. 4: Es geht immer noch ein bisschen mehr Blink Blink und Bum Bum.

In Kuala Lumpur würden diese wackeligen Rikschas keine Chance haben. Dort leben im Grossraum rund acht Millionen Einwohner. Der Verkehr wird von Autos sowie Motorrädern dominiert.

Nach einer kurzen Busfahrt kommen wir in einem grossen, an einen kleinen Flughafen erinnernden Terminal im Aussenbezirk der malaiischen Hauptstadt an. Erwartungen habe ich keine an diesen Ort. Vielmehr ist es der Ausgangspunkt für weitere Stationen, die jedoch erst recherchiert und dann zum nächsten Ziel auserkoren werden sollen. 

Als wir ankommen ist es später Nachmittag, es ist heiss und wir sind ziemlich weit weg vom Zentrum. Der Tarif, der mir am Taxistand von den lokalen Chauffeuren genannt wird, überrascht mich. Er ist deutlich höher als der (zugegebenermassen schon ältere) Reiseführer ausweist. Ich nutze die Taxi-App, die uns von anderen Reisenden empfohlen wurde und sehe, dass das genannte Beförderungsentgelt den sonst üblichen Touristenaufschlag deutlich übertrifft. Da wir uns mit den lokalen Taxifahrern nicht einig werden, bestellen wir ein Taxi über mein Smartphone. Scheinbar findet er uns nicht sofort. Es dauert. Dann ist er da und es kann losgehen. Er ist sehr interessiert und fragt neben den üblichen Fragen: Wo kommst Du her? Wie lange bleibst Du? Wo geht es danach hin? auch nach unseren bisherigen Eindrücken von seinem Land und wie wir die Welt im Allgemeinen sehen. Etwas überrascht, aber doch neugierig erzählen wir von unserem bisherigen Reiseverlauf und wie es dazu kam. Nach dem wir auch die Tionmaninseln lobend erwähnen, schaut er zufrieden. Er ist Akademiker und hat einen festen Job, verdient sich aber mit dem Taxifahren etwas dazu. Das Leben in der Hauptstadt sei die letzten Jahre sehr teuer geworden. Um sich und seiner Familie ein gutes Leben zu ermöglichen arbeitet er 16 Stunden am Tag. Viele ausländische Ruheständler seien die letzten Jahre hierher gekommen, da die Haus-und Wohnungspreise sowie die Lebenshaltungskosten für die Neuzugezogenen günstig sind. Viele der neu errichteten Wohnungen seien deshalb für Einheimische kaum noch zu bezahlen. Ausserdem hat auch hier der Konsum inzwischen die anderen Religionen abgelöst. Jeder braucht ein Auto, ein Smartphone, Markensportschuhe und lässt sich gern in einem der neuen schicken Cafés und Restaurants sehen. Er verrät uns, dass er etwa umgerechnet 700 Euro im Monat mit seinen beiden Jobs verdient. Er scheint jedoch trotzdem seinen Humor noch nicht verloren zu haben. Ein Ausschnitt aus dem Gespräch ist hier als Tonsequenz abrufbar. Aufschlussreich finde ich seine Aufteilung der Menschen in drei verschiedene Gruppen.

Die Wahrheit des Taxifahrers

In Vorbereitung auf unsere Zeit in den ländlichen Gebieten sind wir auf der Suche nach einem Moskitonetz. Deutsche Tropeninstitute und auch die lokalen Behörden weisen auf regelmässig auftretende Malariafälle in unserem Reisegebiet und prophylaktische Massnahmen hin. So nehmen wir an, das diese Schutznetze wie Reinigungs- und Lebensmittel überall erhältlich sein sollten. Vergiss es. Wir besuchen kleine und grosse lokale Märkte, Shopping-Center mit Supermärkten oder grosse unseren Baumärkten ähnliche Warenlager. Die Verkäufer geben sich redlich Mühe, uns mit dem Gesuchten zu versorgen, vergeblich. Einige telefonieren mit irgendjemand anderem. Dann schicken sie uns von einem zum nächsten Geschäft. Es ist ziemlich verrückt. Niemand scheint sich wirklich Sorgen darüber zu machen, eventuell infiziert zu werden – wir schon. Eine elektrische Insektenklatsche, wie sie fast überall angeboten wird, wollen wir nicht kaufen. Keiner möchte nachts aufstehen und erstmal auf Mückenjagd gehen. Wir möchten ein Moskitonetz, das uns in Ruhe schlafen lässt. 

Zum Glück fällt Jana ein, das es (ja auch hier) einen IKEA gibt. Sie schaut auf deren Homepage und siehe da: Sie haben tatsächlich ein Moskitonetz im Angebot – Modell Solig – wie überall auf der Welt. Ein Anruf und die Bestätigung, das es tatsächlich noch vorrätig ist. Yippiiiiieeeh. Die Stechmücken können also kommen. Beziehungsweise sie können es jetzt gerne mal versuchen. 

Kuriosität Nr 5: Es gibt kein Moskitonetz in Malaysia zu kaufen (ausser bei den Schweden)

Bei unseren Einkäufen entdecken wir hin und wieder kuriose Produktempfehlungen, die so wohl nur hier funktionieren. Auf diesem Werbeplakat über dem Schokoladenregal ist ein Wonneproppen zu sehen, der lustvoll in eine grosse Tafel Schokolade beisst. Daneben steht „Eat good, feel good“ (Ernähre Dich gut. Fühle dich gut). Jana und ich schmunzeln uns mit grossen Augen an. Wir liegen wohl nicht falsch, wenn wir behaupten, das so etwas zuhause zu einem mittleren Shitstorm gegen die Handelskette und den Hersteller führen würde. 

Kuriosität Nr 6: Nasch dich gesund und fühl dich gut dabei.

Kuala Lumpur ist eine Stadt im Umbruch. Die modernen Shopping-Center, Boutiquen, Einkaufsstrassen, Bürozentren mit sauberen Strassen und guter Bahnanbindung zeigen, wohin auch Malaysia strebt. Der permanente Staub und Dreck, die Anzahl wilder Müllecken, die sichtbare Armut und viele Strassenzüge mit maroder Infrastruktur und Bausubstanz machen jedoch auch deutlich, dass noch nicht alle Menschen auf diesem Weg in die Zukunft mitgenommen werden.

Unter Sonnenbären

Ich fühle mich ungewohnt schwach. Ich phantasiere von einem Dschungel, in dem ich wie in einer grünen Hölle mit seiner feuchten Hitze gefangen bin. Alles sieht gleich und doch immer wieder anders wild gewachsen aus. Durch die Machete in meiner rechten Hand fühl ich mich etwas sicherer. Ich höre die intensiven Rufe der Makaken sowie verschiedene Vogellaute, die ich nicht zuordnen kann. Meine Kleidung ist schweissgetränkt. Plötzlich bewegt sich etwas in meinem Rücken, Äste brechen, ich spüre leichte Erschütterungen des Bodens. Die Machete fest umklammernd drehe ich mich langsam um. Ein tiefes Brummen schallt von oben auf mich herab. Es kommt aus einem pelzigen Gesicht. Ich werde vorsichtig neugierig beobachtet. Dann verschwindet plötzlich alles um mich herum. Stimmen aus einer anderen Sphäre dringen an mein Ohr. Mein Bewusstsein übernimmt wieder und ich sehe in zwei wunderschöne, wenn auch besorgt wirkende blaue Augen über mir. Jana reicht mir frisches Wasser und die nächste Paracetamoltablette. 

Mir ist heiss, sehr heiss. Mein Kopf, der Hals und die Brust glühen. Jana legt mir einen frischen Eisbeutel auf die Stirn und erneuert die Wadenwickel. Das Hotelpersonal ist inzwischen im Bilde und fragt nicht mehr nach dem Grund für das viele Eis oder will dafür extra vergütet werden.

Wir verbringen insgesamt eine Woche in diesem Business Hotel in Sandakan auf Borneo. Diese Hotelkategorie ist ungewöhnlich für uns. Aber es ist die Unterkunft, die sich am nächsten zum Krankenhaus befindet und wir damit im Notfall kurze Wege haben. Die Ärzte dort haben mich bereits gründlich untersucht und weder Malaria- noch Dengue-Fieber-Erreger im Blut festgestellt. Die Symptome mit Kopf- und Gliederschmerzen sowie hohem Fieber, das innerhalb weniger Stunden bis auf knapp unter 40 Grad anstieg, waren da. Zum Glück wurde nur eine Virusinfektion attestiert. Die hatte es allerdings in sich.

Hier sind wir: ganz im Nordosten der Insel Borneo. Der kleinere nördliche Teil gehört zu Malaysia.

Sie zwingt uns zu einer Pause unseres auf zwei Wochen angelegten Freiwilligeneinsatzes beim Sunbear-Conservation-Center in Sepilok, Borneo (Malaysia). Auf unserer Reise wollen wir nah an den Menschen und Kulturen sein, aber auch die Natur erfahren. Des weiteren möchten wir etwas geben, konkret etwas für Andere tun ohne dafür eine Gegenleistung zu erwarten, einfach nur, weil wir es wollen und gut finden. Jana hatte schon bei einigen Tierschutzprojekten gearbeitet und es war ihr wichtig, auch auf dieser Reise ein solche kleine Auszeit vom Reisen einzulegen. Nach einiger Recherche stiessen wir auf das Sunbear-Conservation-Center und schicken bereits im Mai unsere Bewerbung ein. Ziel dieses Zentrums und der dahinter stehenden Organisation ist der Erhalt des Lebensraumes der sogenannten Sonnenbären (oder auch Malaienbären) sowie die Pflege der aus Gefangenschaft befreiten oder von Wilderern verletzten Tiere.

Der Sonnenbär ist die kleinste lebende Bärenart. Ihr Verbreitungsgebiet ist auf wenige Gebiete in Sumatra und Borneo sowie vereinzelt im südlichen China zusammengeschrumpft. Die Weltnaturschutzunion (IUCN) sowie das Washingtoner Artenschutzabkommen (CITES) zählen sie zu den bedrohten Arten.

Dieser sympathische Bär zeigte uns regelmässig seine Kletterkünste. Wer Lust auf ein Video der Artisten hat, dem können wir dieses supersüsse Video zweier Bären empfehlen. (Link Video Baumspiele)

Unsere Aufgabe als freiwillige Helfer besteht zu einem grossen Teil darin, gemeinsam mit den zehn festangestellten Pflegern rund 40 Bären mit frischem Futter, welches aus Obst und Gemüse besteht, zu versorgen. Dazu gehört auch die Vorbereitung (Reinigung, mundgerechte Stückelung, ausgewogene Zusammenstellung) und die rituelle Futterverteilung in den Aussenanlagen. Weiterhin sind die Käfige täglich zu reinigen oder sogenannte Enrichments (Fachjargon der Pfleger) wie zum Beispiel Spielmöglichkeiten mit leckerem Zuckerrohr oder mit Honig gefüllte Beissringe zu basteln.

Besonders interessant war es, einmal bei einem Gesundheitscheck eines Bären dabei sein zu dürfen. Nach der Narkosebetäubung bot sich hier die Gelegenheit, die Tiere auch zu berühren, was sonst strikt verboten ist. Wir durften die Temperatur und den Puls messen  oder die Schnauze des Bären aufhalten, damit die Ärztin die Zähne behandeln kann.

Zum Glück ist sie betäubt. Sie spürt den Zahnarzt nicht und wir nicht ihre Zähne. Nur den Mundgeruch …

Wenn diese Bärchen so friedlich auf dem Tisch liegen, kann ich mir vorstellen, warum noch heute reiche (und einfältige) Asiaten diese Tiere mit niedlichen Haustieren verwechseln. Sie können wie Teddybären wirken, sind aber natürlich Raubtiere mit allem was dazu gehört. Und sie gehören in die Natur. 

Alle Bären haben Namen, sich diese vollständig zu merken war mir nicht vergönnt. Ein Paar von ihnen sind mir jedoch im Gedächtnis geblieben. Da war zum Beispiel Panda, eine vierjährige Bärendame, die in einem Privatzoo gehalten und dort als Pandabär ausgegeben wurde – daher auch ihr Name. Sie hat grosse Angst davor, aus ihrem sechs Quadratmeter grossen Käfig im Bärenhaus in das Freigehege zu gehen. Grund dafür ist eine negative Erfahrung, die sie mit dem Zaun der Aussenanlage gemacht hat, der permanent unter Schwachstrom steht. Würde der Zaun keinen Strom leiten, wäre es ein leichtes für einen Bären die Absperrung zu demolieren – sei es aus Übermut, Langeweile oder Neugier. Einmal entwischt wäre es jedoch sicher das Todesurteil für die Tiere. In den zum Teil riesigen Aussenanlagen sollen die Bären ihre natürliche Verhaltensweisen wieder erlernen – auf Bäume klettern, Nester bauen, nach Futter suchen, Rinden aufkratzen, Sozialverhalten üben. All jene, die sich gut entwickeln, werden Teil des „Release Programs“ – und haben somit die Chance, wieder in den Wäldern Borneos ein neues Zuhause zu finden. Sieben Bären wurden seit Gründung des Centers 2008 bereits wieder in die Freiheit entlassen. Sie alle wieder in der Natur zu sehen ist das Wunschziel von Wong, dem charismatischen Gründer und Leiter des Zentrums. Leider gelingt das nur den wenigsten Bären, da die meisten entweder zu alt, zu verhaltensgestört, zu „vermenschlicht“ oder aus anderen gesundheitlichen Gründen nicht überlebensfähig in freier Wildbahn wären. 

Aber selbst Bären wie Panda, die viel zu lange in menschlicher Obhut gelebt haben und keine Chance auf eine Entlassung haben, sollen zumindest die Freigehege geniessen dürfen. Unter Anleitung der Pfleger sind wir dreimal dabei, wenn sie langsam herangeführt wird, ihren kleinen Käfig zu verlassen. Wir verteilen leckere Snacks wie Wassermelone, Bananen und in honiggetränkte Nüsse in einem extra für diesen Zweck eingerichtetem „Zaun-Trainingsgehege“. Hier soll Panda lernen, dass das grosse Gehege keine Gefahr birgt, solange sie den Zaun nicht direkt berührt. Am Anfang hat sie grosse Angst, sie holt sich nur die Leckerbissen, die sie mit ihrer langen Zunge erreicht ohne dass dafür auch nur eine der vier Pfoten das bekannte Terrain verlassen muss. Sie streckt sich mächtig. Wir sehen ihren inneren Kampf. Sie kommuniziert mit uns: „Schaut doch mal! Da liegen so viele Süssigkeiten! Aber ich traue mich nicht hinein. Was soll ich machen? Kannst du mir nicht helfen?“ Kaum vorstellbar, was so ein ursprüngliches negatives Erlebnis mit einem Stromzaun für psychische Grenzen aufbauen kann und wieviel Zeit und Geduld es bedarf, dieses Trauma wieder aufzulösen. Lange nach unserem Aufenthalt lesen wir auf der Homepage, das Panda das Zauntraining bestanden hat und ihren ersten grossen Spaziergang im Freigehege unternommen hat – welche Freude, das zu lesen!

Panda kann sich seeeeeehr lang machen, wenn das Obst soooooo weit weg liegt.

Besonders ist mir die süsse Mailaienbärin Simone ans Herz gewachsen. Sie hatte ihren Käfig direkt gegenüber dem Eingang zum Bärenhaus und hat die Kunst des freundlichen Posens so zur Vollendung gebracht, das sie laut der centereigenen Homepage die beliebteste Bärin des gesamten Sunbear-Centers ist (Link Homepage Simone). Mit ihrer freundlichen, ruhigen und zugewandten Art fällt es schwer, sich ihrem tapsigen Bärencharme zu entziehen. Zum Abschied bekomme ich ein Abdruck ihrer Tatzen auf Papier geschenkt. Ich lächle und bin dankbar für diese Geste.

Simone: zum Verlieben.

Hätte mich das Fieber nicht nach einer Woche umgehauen, hätte ich wahrscheinlich auch so eine Pause gebraucht. Ich muss zugeben, das mich die harte körperliche Arbeit bei Temperaturen um die 30 Grad Celsius und einer neunzigprozentigen Luftfeuchtigkeit stark beansprucht hat. Ich habe grosse Bewunderung für die täglichen Verrichtungen der Bärenpfleger. Auch wenn sie nur etwa halb so alt sind wie ich, haben wir uns viel unterhalten und gelacht. Einer meinte, ich sähe aus wie Keanu Reeves, ein Schauspieler, und zählte mir seine Filme auf. Ach so der Typ von Matrix, ja den kenne ich auch. Toll, dachte ich, gar nicht so schlecht, wenn er mich mit ihm vergleicht.

Die letzten Tage im Sunbear-Center nach der einwöchigen Fieberpause vergingen wie im Flug. Auf Wunsch der Mitarbeiter vor Ort haben wir unsere Eindrücke zusammengefasst. Diese wurden dann später wie die anderer Teilnehmer veröffentlicht (Link Homepage Unser Eindruck). Jede Woche kommen Freiwillige wie Jana und ich und unterstützen die Arbeit des BSBC. Es möchten regelmässig so viele helfen, das mitunter einige vertröstet werden müssen. Die Freiwilligen sind fester Bestandteil der Prozessabläufe. Es wird langfristig mit ihnen geplant. Jeder Freiwilliger zahlt (nicht wenig) Geld dafür, das er hier arbeiten darf.

Die Regel ist ja eher anders herum:  Ich arbeite und erhalte dafür eine Vergütung. Hier gibt es eine Organisation, die sich die Mitarbeiter aussuchen kann, die bei ihnen arbeiten wollen und dafür von genau diesen temporären Mitarbeitern auch noch Geld bekommt. Klingt das abgefahren?

Die Frage kann ich mir selbst beantworten. Mir war es das Geld wert, weil es ein Investment in mich war. Ich habe für eine gewisse Zeit, eine sehr erfüllende (und anstrengende) Tätigkeit mit Tieren, zu denen ich sonst niemals Zugang gehabt hätte, ausgeübt. Jeder Handschlag, jede Aktion, jede Handlung hat Sinn gemacht. Die ganze Organisation hat einen übergeordneten Zweck, die Erhaltung der Natur und des Lebens ganz konkret am Beispiel der vom Aussterben bedrohten Sonnenbären. Dieser organisatorische Leitstern klingt für mich einfach attraktiver als beispielsweise nur das Umsatzziel des letztes Jahres zu verdoppeln. Es geht hier nicht einfach nur um Gewinnmaximierung, um ein wenig sinnstiftendes, zweckungebundes Mehr an allem Materiellen. Geld ist hier nur ein Medium, ein notwendiges Mittel, das Richtige aus den richtigen Gründen zu tun. Natürlich muss auch hier der Laden am Laufen gehalten werden, Gehälter und Futter bezahlt werden. Dafür sorgen Sponsoren, Spenden, Erlöse aus dem Verkauf von Eintrittskarten und der Obolus der Freiwilligen. Einen, wenn auch nur kleinen, Beitrag, dazu geleistet zu haben, erfüllt mich mit Freude, Zufriedenheit und Glück. Natürlich will auch ich von meiner Arbeit leben können, was übrigens mit den umgerechnet etwa 350 Euro Monatsgehalt eines Bärenpflegers nicht der Fall wäre. Aber der springende Punkt ist ein anderer:

WER LEISTUNG WILL, MUSS SINN BIETEN.

oder

WER DIE MENSCHEN IM HERZEN GEWONNEN HAT, DER BRAUCHT SICH UM DIE RICHTIGEN KÖPFE NICHT ZU SORGEN.

Diese Sätze haben ich oft gehört und selber auch schon gesagt. Jetzt habe ich sie bewusst erlebt, gefühlt, erfahren. Danke Sunbear Conservation Center.

Untergetaucht

Ich weiss, dass ich keine Angst haben muss. Aber der Angst ist das ziemlich egal – sie ist trotzdem da. Ich versuche mich zu entspannen, aber das klappt überhaupt nicht.

Tausend Gedanken flitzen  mir durch den Kopf.

„Was mache ich hier eigentlich? / Das ist doch absurd / OK, Jana, versuche es mal zu geniessen / Schau mal der Fisch da / Der ist doch schön. / Ja, das stimmt / Aber wieso ist der über mir? Fische waren bis jetzt immer nur unter mir. / Oh je, die Wasseroberfläche ist aber sehr weit weg. / Wie tief sind wir eigentlich? / Atme ruhig. / Bloss keine Panik bekommen. / Irgendwann ist es vorbei.“

Nach weiteren 30 Minuten im Gedankenkarussell war er tatsächlich vorbei: Unser erster Probetauchgang. War ich froh, wieder an der Wasseroberfläche zu sein und wieder Luft über die Nase einatmen zu können. Die letzte halbe Stunde war definitiv ein Erlebnis, das mir noch lange in Erinnerung bleiben wird. 

Im Nachhinein lernen wir, dass die Art und Weise wie unser Probetauchgang ablief nicht ideal war. Wir sind sprichwörtlich ins Wasser gesprungen – immerhin war das Wasser nicht kalt. Als wir nach einer fünfminütigen Bootsfahrt zu einem kleinen Korallenfelsen neben den Tioman-Inseln erklärt bekommen, wie der „Einstieg“ ins Meer vom Boot aus abläuft, mache ich nur grosse Augen.

Wir sollen auf dem Rand des Bootes sitzend eine Rolle rückwärts ins Wasser machen? Wie Bitte? Viel nachdenken konnte ich allerdings nicht – ich sollte als erste diese Turnübung ausführen. Platsch. Gäbe es Haltungsnoten müsste der Punktrichter wohl die Karte mit der Note Vier hochzeigen. So eine Tauchermontur ist ziemlich schwer – sobald du dich auch nur ein bisschen nach hinten lehnst, gewinnt die Schwerkraft über deine Muskelkraft und schon bist du im Wasser. Micha und der Tauchlehrer folgen. Er merkt sofort, dass es eine starke Strömung gibt, signalisiert uns aber, dass wir uns keine Sorgen machen sollen. Nö, machen wir nicht. Denn noch wissen wir ja garnicht, was das unter Wasser bedeutet.

Aber der Reihe nach. Wir treiben also zunächst im Wasser. Der Tauchlehrer orientiert sich kurz und gibt uns das Zeichen, dass es nun nach unten geht. Alles ok? Alles ok. Wir signalisieren dies indem der Daumen und der Zeigefinger einen Kreis bilden sowie die anderen Finger gestreckt bleiben. Er nimmt uns beide am Schlafittchen und lässt die Luft aus unseren Tauchwesten, so dass wir theoretisch absinken. Praktisch tut sich kaum etwas – ich habe Auftrieb und schwebe kurz unter der Wasseroberfläche. Micha ist auch auf meiner Höhe. Ich muss schmunzeln: ertrinken ist garnicht so einfach. Aber wir wollen ja nicht ertrinken, wir wollen tauchen und auch dazu müssen wir nach unten. Da unsere Tauchwesten aber schon komplett leer zu sein scheinen, zieht und drückt uns der Lehrer recht schnell nach unten – zu schnell für Micha. Er signalisiert, dass er Ohrenschmerzen hat. Diese entstehen, wenn man zu rasant abtaucht und/ oder zu selten einen Druckausgleich für die Ohren macht. Besonders auf den ersten zwei Metern merke ich deutlich, dass unter Wasser viel mehr Druck als an der Wasseroberfläche herrscht. Und diesen Druck muss ich mit „Nase zu halten und sanft in die Nase hineinblasen“ ausgleichen. Jeder kennt das vom Fliegen. Die beiden tauchen also wieder ein bisschen auf, so dass der Druck auf Michas Ohren nachlässt und er nochmal einen Ausgleich machen kann.

Ich bleibe eine halbe Körperlänge unter ihnen und bemerke nun die Strömung. Wir treiben alle ganz schön doll in eine Richtung, ich allerdings ein bisschen schneller als die anderen beiden, da der Lehrer mit Micha im Gepäck professionell gegen sie anschwimmt. Ich weiss, dass ein Taucher nur die Beine benutzt und die Arme möglichst ruhig am Körper anlegt. Aber wie ist das mit dem theoretischen Wissen? Es nützt wenig, wenn ich es nicht auch umsetzen kann. Ich kann es gerade nicht und paddele und wedele mit allen Vieren wie Pfiffi, der kleine Schosshund, den ich zum sonntäglichen Bad in eine für ihn viel zu grosse Badewanne gesteckt habe.

Als es Michas Ohren wieder besser geht, drückt uns der Lehrer weiter nach unten. Er packt Michas Weste mit dem rechten Arm und meine mit dem linken Arm. Er bleibt stets über uns, so dass wir ihn nicht sehen. Wir schwimmen also im Dreiergespann einmal um den Korallenfelsen. Da dies unser allererster Tauchgang ist und wir keine Ahnung haben, was wir zu tun haben, kümmert sich der Lehrer um alles. Er regelt die Luft in unseren Westen, so dass wir je nach Bedarf ein bisschen mehr oder weniger Auftrieb bekommen. Er schaut auf die Anzeige, die kontrolliert wieviel Luft noch in unserer Flasche ist. Er kontrolliert die Tiefe.

Wir müssen nur mit den Flossen treten sowie atmen und…. natürlich: den Tauchgang geniessen, uns an all den bunten Fischen erfreuen. Ich nehme sie war, freue mich jedoch noch mehr darüber, dass ich tatsächlich Luft bekomme. Und ich denke.

Tausend Gedanken flitzen mir durch den Kopf. 

Zurück auf dem Boot fragt uns der Lehrer, ob wir nun den Tauchkurs machen wollen. Wir wollen das Erlebte jedoch erstmal sacken lassen und uns nach dem Mittag wieder melden. Wir entscheiden uns dagegen. Schnorcheln ist doch auch schön. 

Drei Wochen später stehen wir wieder vor einer Tauchschule. Diesmal sind wir auf den Perhentian-Inseln im Norden Malaysias. Wir fragen nach zwei Schnorchel-Sets zum Ausleihen und nach der Möglichkeit, einen Tauchkurs zu machen. Wenn sie Zeit haben und sie uns sympathisch sind, wollen wir es eventuell nochmal probieren. Sie haben Zeit und sie sind uns sehr sympathisch. Kim, unsere Tauchlehrerin kommt aus Holland und spricht perfektes Deutsch, so dass wir den Kurs sogar in unserer Muttersprache machen könnten. Dies alles sind gute Vorraussetzungen. Die nächsten vier Tage verbringen wir wie in einem Trainingslager – wir büffeln viel Theorie, machen Tests, die an die Fahrschulprüfung erinnern und lernen, das Wissen auch unter Wasser anzuwenden. Von Kim erfahren wir, dass man für einen Schnuppertauchgang viel besser vom Strand aus in Wasser geht. Das erspart dem Novizen die Rolle rückwärts ins Nass, garantiert ein langsames Abtauchen und verringert dadurch die Probleme mit den Ohren.

Bei den Tauchgängen, die wir im Kurs absolvieren, bin ich schon um einiges entspannter als bei dem Schnuppertag. Trotzdem gibt es Übungen, die mir schwer fallen und die ich nicht gerne mache, wie zum Beispiel freiwillig Wasser in die Taucherbrille einlassen, um dieses dann wieder loszuwerden. Beim ersten Mal mache ich es falsch, bekomme Angst und atme über die Nase einiges an Salzwasser ein. Das muss ich noch öfter üben. Schliesslich ist Wasser in der Brille eine Situation, die beim Tauchen häufig vorkommt.

Wo ist Micha?

Diese Übung fällt Micha überhaupt nicht schwer. Dafür braucht er ein bisschen länger, bis er sein Gleichgewicht unter Wasser kontrollieren und halten kann. Tiefes Ein-und Ausatmen, wie es von den Yogis immer so gebetsmühlenartig wiederholt wird, kommt unter Wasser garnicht gut an. Wenn Micha einmal tief einatmet, dann geht er unter Wasser ab wie Schmidt´s Katze – soll heissen, er flutscht wie ein Pfeil nach oben und weiss garnicht wie ihm geschieht.

So ein schnelles Auftreiben ist aus verschiedenen Gründen gefährlich. Während des Kurses lernt er unter Wasser flach zu atmen und sein grosses Lungenvolumen gezielt einzusetzen, um seine Tiefe unter Wasser zu verändern. Ein leichtes Einatmen und er steigt auf, ein bewussten Ausatmen und er sinkt ab.

Immer schön auf Augenhöhe mit den Fischen bleiben…garnicht so einfach.

Kim ist eine tolle Lehrerin. Sie hat Geduld wo es nötig ist und sie ist streng und verantwortungsbewusst in Situationen, die gefährlich sein können. Wir merken, das sie auch nach tausenden von Tauchgängen und sicher hunderten von Schülern noch selbst Spass an ihrem Beruf hat. Auch das schätzen wir sehr. 

Nach bestandener Prüfung. Ihr seht dem Schüler und der Lehrerin die Erleichterung an.

Nach fünf Tauchgängen haben wir alle Prüfungen bestanden und erhalten den Open Water Tauchschein. Doch Tauchen erfordert, genauso wie das Autofahren, viel Übung und Wiederholung, um Sicherheit und eine gewisse Routine zu bekommen. Der Schein ist erst der Anfang. Wir müssen noch einige Tauchgänge machen, bis wir die Unterwasserwelt wirklich geniessen können, aber wir haben nun zumindest unsere Eintrittskarte in diese völlig neue Welt.

Augen zu und durch, oder besser: Nase zu und runter. So sah es aus, als wir das Abtauchen und den Druckausgleich geübt haben.

In Malaysia schaffen wir es leider nicht mehr, diesen Schein auch zu nutzen. Wir wollen weiter nach Borneo, wo uns eine ganz besondere Verabredung mit einem knuffigen Landbewohner erwartet.