E noho rā – Tschüss auf Māori

Irgendwann ist immer Schluss. Das Touristenvisum für Neuseeland endet nach 90 Tagen. Wir haben es mit unseren 88 Tagen nahezu maximal ausgereizt und in der Zeit natürlich nicht alles, aber vieles vom Land kennengelernt. Einige unserer Erlebnisse, die Treffen mit Menschen und Tieren, die Tage in der Natur, unsere Reiseroutinen und ein paar Gedanken haben wir in diesem Blog für euch (und auch für uns) schriftlich festgehalten und mit ausgewählten Fotos gespickt. Zum Abschluss hier noch ein paar Notizen, die nicht in die bisherigen Artikel reinpassten uns aber trotzdem erwähnenswert erscheinen. 

1. Die stets aufgeschlossenen und freundlichen Menschen. Oft wurden wir gefragt, woher wir denn kommen und ob wir Hilfe benötigen, obwohl wir wahrscheinlich nicht das erste deutsche Pärchen waren, das ihnen an diesem Tag über den Weg gelaufen ist. Das finden wir bemerkenswert, da wir auch selbst auf viele Landsleute in Neuseeland trafen – vor allem junge „Work and Travel“-Reisende. Oft wurden wir von den Kiwis belächelt „Deutschland muss ja ein schlimmes, hässliches Land sein, wenn so viele von euch hierher kommen.“  

2. Die Kultur der Maori ist überall gegenwärtig, wird geschätzt und bewahrt. In Napier durften wir anlässlich einer Festivaleröffnung einem Willkommensritual beiwohnen, ebenso in Wellington. In einer Bibliothek in Rotorua hatten wir zufällig Gelegenheit, eine Haka-Vorführung zu sehen.

Der Haka – ein ritueller Tanz der Maori.

3. An den Linksverkehr gewöhnten wir uns schnell. Es gibt viele Schilder und Zeichen auf der Fahrbahn, die darauf hinweisen und den Touristen daran erinnern, dass man sich links zu halten hat. Die Strassen sind zwar meist einspurig, dafür aber recht breit. Alle paar Kilometer gibt es „Überholspuren“, falls die Schlange der Fahrzeuge hinter einem zu lang wird. Papa Schlumpf war bei maximal 110 km/h am Limit und bereits bei 80 km/h ziemlich laut, also ein eher gemütlicher Gefährte – wir wurden oft überholt.

Das grüne Signal einer Fussgängerampel in Napier. Zu Fuss gegangen wird scheinbar nur, wenn der Hund mit Frauchen Gassi geht.

4. In diesem weitläufigen Land scheint jeder ein eigenes Auto zu haben. Deshalb ist wohl auch der Nahverkehr in den Städten nicht wirklich gut ausgebaut und oft unzuverlässig. Es gibt zwar ein Busnetz, aber die Busse fahren selten. In Tauranga, einer 115.000 Einwohner zählenden Hafenstadt haben wir den letzten Bus um kurz vor 20 Uhr knapp verpasst. Dabei war es wochentags, Hochsommer und immer noch hell. In der Hauptstadt Wellington haben wir zum Teil lange und vergeblich auf Busse gewartet, obwohl sie eigentlich alle 20 Minuten kommen sollten.

5. Vor allem Dorf- und Städtenamen werden nicht selten anders ausgesprochen, als wir es aufgrund unseres Schulenglischs erwartet hätten. Das sorgte ab und zu für ein Lächeln auf der anderen Seite – die Deutschen eben 🙂

Der Takahe, noch so ein seltener Vogel, der das Fliegen verlernt hat.

6. Es scheint ein gemeinsames Ziel aller Organisationen und der Bevölkerung, dass die von europäischen Einwanderern eingeführten Tiere wie Possums, Hermeline und Ratten bis 2050 auszurotten sind, um die heimischen Vogelarten zu schützen. In Naturschutzparks sieht man alle 100 Meter Fallen und Warnhinweise, dass in der Gegend Gift ausgelegt wurde. In dieser Konsequenz haben wir das woanders noch nicht erlebt.

7. Hier gibt es den besten Joghurt, den wir je gegessen haben. Der hat uns so gut geschmeckt, das wir gerne Werbung dafür machen: Raglan Joghurt aus Kokosnussmilch- so much goodness. „Goodness“ (also etwas Gutes, Wertvolles) ist auch so ein Begriff, den wir hier häufig hörten und der auf jedem zweiten Produkt steht. Wir werden ihn wohl bleibend mit Neuseeland verbinden.

TIAKI – das bedeutet, Menschen und Orte zu schützen. 

8. Das „Tiaki“-Versprechen zieht sich wie ein roter Faden durch unsere Begegnungen im Kiwi-Land. Es scheint wie eine stillschweigende Übereinkunft aller Einheimischen – egal ob Maori, Einwanderer der ersten Generation oder Neuankömmlinge zu sein. Alle eint der Stolz und das Wissen um die Verantwortung für ihr Land, es achtsam und so zu behandeln, das auch die Kinder und deren Kinder diese heutige Vielfalt und Schönheit erleben können. Nie haben wir Aggressivität, Egoismus oder soziale Kälte unter den Einheimischen wahrgenommen. Wir spürten vielmehr gegenseitige Rücksichtnahme, einen ausgeprägten Gemeinschaftssinn sowie den Respekt gegenüber den Menschen und der Natur. 

TIAKI – das sind keine leeren Worthülsen in Neuseeland  – es ist gelebter Alltag. 

TIAKI – das Versprechen packen wir in unsere Rucksäcke und tragen es in die anderen Orte, die wir noch bereisen wollen. Denn nicht nur Neuseeland, alle Länder, jeder einzelne Mensch, jedes Lebewesen, die gesamte Natur um uns herum ist kostbar. 

Durch den Süden mit Papa Schlumpf

Die Tage der Busreisen, des Trampens und Zeltens waren Anfang März schlagartig vorbei. Denn von da an begleitete uns Papa Schlumpf. Es hätte auch Clark Kent, Cinderella oder Mary Poppins sein können. Aber uns wurde eben „Papa Smurf“ zugeteilt. 

Papa Schlumpf war unser Camper – das Autovermietungsunternehmen gab jedem Fahrzeug einen individuellen Namen und dieser war auf der Fahrertür sichtbar. Wir haben auf der Reise viele andere Autos des selben Vermieters gesehen, aber niemand hatte einen so drolligen, sympathischen und oft ein Lächeln erzeugenden Gefährten wie wir. Ausserdem fand ich, das der Name sehr gut zu Micha passte. 🙂

Papa Schlumpf war wie viele Camper in Neuseeland ein Toyota Estima. Dieses Modell, hergestellt in den 90er Jahren kannten wir aus Europa nicht. Er war im Prinzip einmal ein Familienauto, ein Minivan mit drei Sitzreihen und wurde umgebaut in einen Campervan. Ihn als Wohnmobil zu bezeichnen wäre übertrieben, Papa Schlumpf war nüchtern betrachtet nur ein Auto  – und doch war er noch so viel mehr. Er brachte uns nicht nur wohlbehalten über die Südinsel Neuseelands, er war unser Schlafzimmer, unser Kleiderschrank, das Wohnzimmer, die Küche und die Vorratskammer – all dies auf vielleicht sieben Quadratmetern. Und er war mit 336 000 km in den Strümpfen zurecht ein Senior.

Abgeholt haben wir ihn am Flughafen von Christchurch. Wir freuten uns über den plötzlichen Komfort, der mit ihm kam – es gab für vier Personen Teller, Schälchen, Besteck und Gläser, einen Topf, eine Pfanne und zwei Campingkocher, zwei Klappstühle und einen Tisch. Des weiteren gehörten Bettzeug bestehend aus einem Laken, einer Decke und zwei richtigen Kopfkissen dazu. Wie werden wir ab nun dinieren und schlafen! Ein weiterer Luxus eines Autos besteht natürlich darin, dass wir nicht mehr gehen und unser Gepäck tragen müssen…. und die Einkäufe auch nicht. 

Einen solch langen Kassenzettel hatten wir in Neuseeland noch nie.

Unser Kaufrausch des ersten Supermarktbesuchs wurde nur durch die Einschränkung der drohenden Verderblichkeit der Lebensmittel gezügelt. Einen Minikühlschrank hatte Papa Schlumpf im Gegensatz zu den echten Wohnmobilen leider nicht.

Mit Papa Schlumpf erkundeten wir in 6 Wochen die Südinsel Neuseelands. Er brachte uns an Orte, die wir ohne ihn wahrscheinlich nicht gesehen hätten. 

Einer der ersten tollen kleinen Campingplätze war der am „Lake McGregor“.  Den kleinen Nachbarsee des weitaus grösseren „Lake Tekapo“ konnten wir leicht in ein paar Stunden zu Fuss umrunden. Die Sonne lies das trockene Gras in einem unglaublich schönen Goldton erstrahlen.

Keine 70 Kilometer Luftlinie entfernt sah die Landschaft schon ganz anders aus – am Fusse des Mount Cook (dem mit 3.724 Höhenmetern grössten Berg Neuseelands) gab es einige Gletscherseen zu entdecken. Trotz mehreren Schichten an Kleidungsstücken fühlten wir uns neben den Eisbrocken, die im Wasser herum schwammen, wie zwei Zitronenscheiben in einem von Eis gekühlten Longdrink. Nahmen wir uns sonst immer viel Zeit für unsere Wanderungen, für die Strecke zurück an den Parkplatz brauchten wir nicht lange – Papa Schlumpf lockte mit seiner warmen Luft aus der Klimaanlage. 

In Neuseeland kann man die unterschiedlichsten Landschaften auf recht engem Raum bewundern. Nach der Hochebene mit seinen vielen verträumt grasenden Schafen und dem Abstecher in die Gletscherregion schlumpften wir uns auf den Weg an die Westküste an einen der berühmtesten Fjorde Neuseelands  – dem „Milford Sound“. Allein schon die Fahrt dahin war beeindruckend. Genau wie alle anderen Touristen, hielten auch wir mehrmals für Fotostops an – so schön war die Strecke. 

Die Gegend gefiel uns so gut, dass wir mehrere Tage hier blieben und noch einige Wanderungen unternahmen.

Wir genossen die Freiheit und die Flexibilität, die uns unser fahrendes Zuhause schenkte – wir mussten früh morgens noch nicht wissen, wo wir abends schlafen werden, denn offizielle Stellplätze für Camper gab es genügend. Im Vergleich zu der Zeit ohne Auto war das ein weiterer kleiner Luxus. Wir kamen recht schnell zu den Campingplätzen und, was manchmal umso wichtiger war, auch schnell wieder weg.

Zwei mal sind wir früh morgens regelrecht geflüchtet – und Schuld daran waren ausschliesslich die Sandflies – das sind kleine äusserst bluthungrige Biester, die einem den schönsten Campingplatz verderben können. Sandfliegen gibt es an vielen Orten in Neuseeland – gebissen wurden wir unterwegs schon oft. Aber es gibt Gegenden, da kommen sie in Scharen vor und da sind sie besonders skrupellos mit ihrer Beute.

Kleiner Exkurs: Der Legende nach hat der Gott Tu-te-raki-whanoa die Fjordlandschaft so atemberaubend schön geschaffen, dass sie die Menschen davon abhielt, zu arbeiten und sie nur voller Ehrfurcht staunten. Die Göttin Hinenuitepo wurde deswegen so wütend auf diese unproduktiven Menschen, dass sie die Sandfliegen kreierte, um sie zu beissen und sie so wieder in Bewegung zu setzen.

Eine dieser Gegenden im Fiordland National Park ist das Hollyford-Tal. Die Tür nur kurz aufgemacht und schwupp sind mindestens 20 der fiesen „Fliegen“ im Auto. Und es blieb ja nicht bei denen, die schon drin waren. Da wir noch mitten im neuseeländischen Sommer waren, mussten wir zum Schlafen unbedingt die Fenster ein bisschen auflassen, sonst hätten wir uns bald wie in einem Gewächshaus gefühlt. Ich dachte immer, Insekten werden von Licht angelockt, aber Mücken und Sandfliegen müssen wohl einen sehr guten Geruchssinn haben. Wir konnten sie beobachten, wie Sie den kleinen Spalt im Fenster finden und hineinschwirrten. Ans Schlafen war nicht zu denken.

Wir legten also eine gute Schicht Mückenspray auf und versuchten es dann nochmals mit der Nachtruhe. Erfolglos. Zum einen bereitete uns unser neues „Parfüm“ Übelkeit und zum anderen ist es zwar nett, wenn die Mücken sich nicht auf deiner Haut zum Essen niederlassen, aber es ist umso nerviger, wenn sie nun verzweifelt versuchen, eine jungfräuliche Stelle auf deiner Haut zu finden und unentwegt an deinen Ohren vorbei summen. Also wurden nun die Ohrstöpsel rausgekramt. Micha bevorzugte die Version des halben Kopfkissens über dem Ohr. Irgendwann mitten in der Nacht müssen wir dann so eingeschlafen sein. Dies waren die kürzesten Nächte überhaupt in Neuseeland. Am nächsten Morgen, sobald es ein bisschen hell war, krabbelten wir von unserem Nachtlager im Hinterbereich nach vorne auf die Sitze. Ja, auch das geht, wenn man will. Aber es sieht schon lustig aus, wenn sich ein über 1,90m grosser Mann zwischen die zwei Vordersitze nach vorne quetscht. Noch im Schlafanzug und ohne die Tür einmal aufgemacht zu haben fuhren wir los. Wir wurden das Abendessen für viele der Biester, zum frühstücken sollen sie sich doch jemanden anderen suchen. 

Im Auto unterwegs verging der März wie im Flug. Wir fanden auch mit Papa Schlumpf schnell unseren Rhythmus. Trotz der vielen unterschiedlichen Eindrücke, die tagsüber auf uns warteten, bekamen wir eine gewisse Reiseroutine. Wir wachten auf, sobald es hell wurde. Die Natur belohnte dieses frühe Munterwerden oft mit fabelhaften Sonnenaufgängen, die wir zum Teil auch direkt aus dem Auto heraus betrachten konnten.

Das morgendliche Herauskrabbeln aus dem Auto kann man auch als eine Vorstufe zu einer Yogaübung bezeichnen – denn es ist nicht immer einfach, ohne Bandscheibenschaden da raus zu kommen. Können wir zu Hause mit dem Bettenmachen warten, bis wir richtig wach sind, oder notfalls komplett darauf verzichten, so erlaubte uns Papa Schlumpf dies nicht. Bevor es irgendwie weiter ging, mussten wir das „Bett“ machen, denn schliesslich bestand die Matratze aus drei Einzelteilen, die je auf zwei Truhen und einem zusätzlichen Verlängerungsbrett aufgelegt wurden. In den zwei Truhen waren zum einen unsere Klamotten und zum anderen unser Essen sowie das Kochgeschirr. Solange wir also das „Schlafzimmer“ nutzten, hatten wir keinen Zugang zum „Kleiderschrank“ oder zur „Küche“. Sobald alles verstaut wurde, konnten wir in den Tag starten. Das Ritual des genüsslichen Frühstücks behielten wir auch mit Papa Schlumpf bei. Manchmal gesellte sich sogar das ein oder andere willkommene Tier zu uns. 

Während der Sonnenstunden unternahmen wir meist kleinere Wanderungen und besichtigten die natürlichen oder vom Menschen geschaffenen Sehenswürdigkeiten der einzelnen Regionen.

Bevor es dunkel wurde hatten wir meist unseren Stellplatz für die Nacht gefunden. Das Morgenritual wurde umgedreht und zum Abendritual. Das heisst dementsprechend erstmal in aller Ruhe das Essen machen und dieses ausgiebig geniessen. Wir hatten wirklich grosses Glück mit dem Wetter. Während unserer Reise war es meistens sonnig, es hat kaum geregnet und so konnten wir uns auch Abends draussen aufhalten.

So schön, wie der Tag begann, so ging er auch oft zu Ende – mit farbintensiven Sonnenuntergängen. 

Satt und zufrieden wären wir nun gerne ins Bett gefallen, aber zunächst mussten wir die Inneneinrichtung von Papa Schlumpf wieder umbauen – Kiste aufmachen, Bettzeug rausnehmen, dieses ausschütteln, Matratze aufbauen und beziehen. Jeden Abend die gleiche Prozedur. Unzählige Male haben wir uns dabei den Kopf gestossen. Da wurde uns bewusst, wie komfortabel so ein richtiges Schlafzimmer mit einem Bett als festen Bestandteil ist. 

Diesen logistischen Aufwand nahmen wir gern in Kauf, da wir so sehr nah an und in der Natur sein konnten. Aus dem Dachfenster von Papa Schlumpf konnten wir einige Male einen fantastischen Sternenhimmel mit unendlich vielen leuchtenden Stecknadelköpfen beobachten.

Nach fünf Wochen und rund 3.800 gefahrenen Kilometern mussten wir Anfang April unseren liebgewonnenen Gefährten wieder abgeben. Unsere Drei-Monats-Reise durch Neuseeland lag nun hinter uns und wir waren sehr froh, das Land auf so eine abwechslungsreiche Art des Reisens erlebt zu haben. Weder hätten wir die ganze Zeit im Auto, noch ausschliesslich mit Rucksack und im Zelt bzw. in Jugendherbergen / privaten Unterkünften verbringen wollen. Es war für uns genau die richtige Mischung. 

Zelten ist nichts für mich…

…war nach meiner Pubertät bis vor etwa zwei, drei Jahren ganz klar meine Meinung. Dieser Verzicht auf Bequemlichkeit und das auch noch am Wochenende oder noch schlimmer: im Urlaub (!), das widersprach zu sehr meiner Vorstellung von Erholung. In meiner Freizeit wollte ich mir schliesslich etwas gönnen, es mir richtig gut gehen lassen. Neugierig auf andere Länder, exotische Natur, unbekanntes Terrain und interessante Menschen war ich zwar schon immer. Aber bitteschön nicht mit allzu starker körperlicher Beanspruchung, dafür mit einem bequemen Bett, köstliche Verpflegung und gut organisiert, damit auch in der immer knapp bemessenen Zeit nichts schief gehen konnte.

Früher trug ich mein Gepäck vom Kofferraum des Autos zum Check-In-Schalter der Airline. Hier habe ich alles bei mir. 

Doch nach vielen kurzen und langen Reisen an nahe oder manchmal auch weit entfernte Orte hatte ich oft das Gefühl wie ein Zoobesucher durch fremde Länder und Kulturen unterwegs zu sein. Auch im Zoo wird uns nur gezeigt, was wir sehen sollen. Alles war arrangiert und im Wesentlichen bereits vorher klar. Der Raum für das Unerwartete beschränkte sich auf meine Auswahl der Mahlzeiten, die eventuellen Verschiebungen der Flugzeiten oder eine Veränderung im Ablaufplan bei vorher gebuchten Ausflügen. Ich war sehr bequem geworden und passiver Konsument, nicht Gestalter meiner Exkursionen.

Die Planung beim Camping erfolgt beim Frühstück und nicht Monate im Voraus auf dem heimischen Sofa. Der aufmerksame Betrachter erkennt auch die dekorative Serviettenrolle.

Das wollte ich ändern. Vor vier Jahren ging ich das erste Mal allein im Harz für ein paar Tage wandern. Auch wenn es weder exotisch noch körperlich anstrengend war, hatte ich danach doch das Gefühl, das es mir gut, ja sogar besser als nach zwei Wochen Pauschalurlaub am Meer ging. Der Hauch von einer kleinen Freiheit gab mir Kraft und bestärkte mich. Ich habe Ziel, Tempo und Inhalte der Reise selbst bestimmt, ohne alles vorher detailliert geplant zu haben. In den folgenden Jahren habe ich das mit meinem Sohn und zwei Freunden in ähnlicher Art wiederholt.

Als Jana und ich beschlossen, gemeinsam unseren Traum von einer Reise auf die andere Seite der Welt zu verwirklichen, haben wir im Sommer 2018 mit unseren Familien und Freunden darüber gesprochen, die Jobs und Wohnungen gekündigt sowie mit der ganz groben Vorplanung begonnen. Wir buchten die ersten Flüge. Wo wir uns im Land konkret bewegen, was wir uns anschauen und erleben wollen – all dies liessen wir offen. 

Es sollte für unsere Köpfe und Schultern eine Reise „mit leichtem Gepäck“ werden und das aus drei Gründen: 

  1. Wir wollen Raum haben für die Begegnungen mit Menschen, die uns nicht vordergründig als Tourist, vielleicht eher als interessierte und freundliche Fremde wahrnehmen. 
  2. Wir tragen alles was wir brauchen selbst. Das hat den Vorteil, dass wir auch nur das verlieren können. Und verloren gegangen ist schon einiges. (Wer irgendwo in Neuseeland eine schwarze Wetterjacke Grösse L findet, der soll mir bitte schreiben. Es könnte meine sein.) 
  3. Wir möchten mit einem guten, jedoch begrenztem Budget wertvolle Erfahrungen sammeln und dem Unvorhersehbaren eine Chance geben. 

Selbst leichtes Gepäck wird nach einer Tageswanderung schwer. Hier Fotos vom gleichen Tag, einmal früh und einmal am Abend.

So haben wir dann Zelte und Rucksäcke sowie sonstiges Equipment angeschafft. Da es ursprünglich eine Fahrradreise werden sollte, wurden langstreckentaugliche, robuste Fahrräder erworben. Da ich dann doch nicht allzu blauäugig ans andere Ende der Welt reisen wollte, habe ich bei meinem Fahrradhändler um die Ecke an zwei halben Tagen gelernt, wie ich das gute Stück einmal auseinander- und wieder zusammenbaue, Schläuche stopfe und sonstige einfache Reparaturen selbst durchführe.

Danach besuchte ich einen GPS-Navigationskurs speziell für Fahrradtouren, sowie einen Survival-Kurs in der Lüneburger Heide inklusive Übernachtung bei Bodenfrost auf einer Unterlage aus Blättern. Das Frühstück war im Preis mit inbegriffen: am Morgen gab es Frischwasser aus Waldmoos. Wenn das mal kein Gegensatz zum 5-Sterne-Hotel ist. 

Tatsächlich haben wir bislang unser Zelt gut genutzt. Der wesentliche Unterschied zwischen Camping und dem gewohnten Zuhause ist der (wie überraschend) auf das Existenzialistische reduzierte Bedarf an Verpflegung, Klamotten und Komfort. Ich habe vermutet, dass sich durch die Vereinfachung des Alltags auch eine Leichtigkeit und Beschleunigung der organisatorischen Abläufe einstellt. Doch das Gegenteil ist der Fall. 

Es kann lang dauern vom ersten zaghaften Augenblinzeln am Morgen bis zum Moment, in dem wir startbereit alles im Rucksack verstaut haben. Die Zeiteinteilung passt sich den täglichen Verrichtungen an und nicht umgedreht, so wie ich es aus meiner täglichen Arbeit gewohnt war: „Die Deadline für den Deal ist heute Abend um 18 Uhr.“ Hier nehmen wir uns die Zeit, alles in Ruhe zu erledigen. Aufstehen, erste Morgentoilette, Anziehen, Schlafsäcke und Luftmatratzen einpacken, Zeltabbauen und zum Trocknen an ein sonniges Plätzchen hängen. Nach den langen, aber nicht unbedingt erholsamen Flachschlaf-Nächten geniessen wir unser Frühstück in der ersten Runde mit Obst, Müsli und Tee sowie im zweiten Gang mit einem Keks (Jana berichtigt diesen Satz und hält fest: es wurden meist mehrere Kekse pro Person :-)) oder Toast mit Erdnussbutter zum Kaffee. 

Da der Gaskocher das Wasser in Abhängigkeit von den Windverhältnissen oder dem Füllstand der Gaspatrone entweder in fünf oder aber auch in zwanzig Minuten auf die nötige Temperatur erhitzt, kann hier Geduld gefragt sein. Wir haben nicht viel im Gepäck, aber Zeit und somit Geduld haben wir genug.

Dann wurde das Innen- und Aussenzelt nach vollständiger Trocknung erneut ausgeschüttelt und zusammen mit den Heringen im Rucksack verstaut. Das gleiche Prozedere wiederholte sich am Abend (nur umgekehrt), wenn an einem anderen Ort das Zelt aufgeschlagen wurde. Diese logistischen Herausforderungen haben wir gemeistert, wurden immer versierter bis jeder Handgriff sass, da sowohl Jana als auch ich beim Auf- und Abbau immer die gleichen Arbeiten verrichten. Wir fühlen uns wie ein gut eingespieltes Formel-1-Team beim Boxenstopp. 🙂 Am Ende hat sich alles auf wenige Minuten reduziert.

Da wir uns meistens alle ein bis zwei Tage woanders befinden, nehmen das Lesen des Wetterberichtes sowie die Übernachtungs- und Routenrecherche viel Zeit in Anspruch. Unsere Tage sind intensiv, lang und auch durch eine gewisse Reiseroutine geprägt, jedoch nicht vergleichbar mit dem Hochfahren des Rechners, E-Mails checken oder Projektmeetings während unseres Büroalltags. Nahezu jeder Tag bringt neue Bilder, Eindrücke oder Erlebnisse. Unsere Arbeitsspeicher sind mit dem Organisieren des Reisens, der Vielzahl von Entscheidungen und mit dem Verarbeiten des Erlebten gut ausgelastet. 

Ich lerne viele Menschen kennen, manche Begegnungen wirken nach, andere sind schnell vergessen. Alles geschieht im Jetzt. Ich bin ganz bei mir. So habe ich es mir gewünscht. Ich habe keine Ahnung, was diese Reise am Ende mit mir gemacht haben wird. Doch eins weiss ich jetzt schon genau: Zelten ist doch etwas für mich.

Plumpsklo mit Meerblick. Welches Hotel kann das schon bieten?

Wir machen Blau

„Das Meer, dessen sanfte, furchtgebietende Wogen von einer darunter liegenden Seele künden, birgt ein Geheimnis – aber welches?“ (Hermann Melville, US-Amerikanischer Erzähler und Autor einer der bekanntesten Romane, in dem ein Wal im Mittelpunkt steht: Moby Dick)

Das Neuseeland im Wesentlichen aus zwei grossen Inseln besteht, ist ja bekannt, wenn nicht, erwähne ich es hier nochmal. Dieser Umstand, die Grösse und die Nord-Süd-Ausdehnung bringen es mit sich, das Wasser, in diesem Fall sehr viel Wasser (auf der Westseite die Tasmansee und auf der Ostseite der Pazifik) für zahlreiche Besucher an und vor den Küsten sorgt. Hin und wieder durften wir dankbare Augenzeugen dieser Audienzen sein, denn so leicht lassen sich die Meeresbewohner gar nicht entdecken.

Diese Karte der Südinsel zeigt die Orte, wo wir die tierischen Besucher beobachten durften.

Jana und ich warten in dem uns zugewiesenen Raum mit Fotos und Warnhinweisen an den Wänden. Der laufende Film gibt Hinweise zu Vorkommen, Lebensweise, Fress- und Paarungsverhalten, sowie zum Schutz derjenigen Meeresbewohner, von denen wir vielleicht den einen oder anderen heute zu sehen bekommen. Wir befinden uns im Hafen von Kaikoura und warten auf das Ablegen unseres Walbeobachtungsbootes.

Die Stadt an der Westküste der Südinsel hat sich in den letzten Jahren zu einem wahren Treffpunkt für Whale-Whatching entwickelt. Kurz vor der Küste senkt sich der Meeresboden unvermittelt auf 1,5 km Tiefe – und wegen des enormen Futterangebotes halten sich dort ganzjährig viele Wale auf.

Wir betreten das Schiff und der freundliche Einweiser gestikuliert und redet unentwegt, wird nicht müde, darauf hinzuweisen, welche Verhaltensregeln bei eventuell aufkommender Übelkeit, also „Seekrankheit“ zu befolgen sind. In den Taschen vor jedem Sitz befinden sich entsprechende Tüten, die Klimaanlage ist auf das gerade noch vertretbare Minimum eingestellt. Es heisst, der Mensch verspürt weniger Übelkeit, wenn er friert. Die Wetterschwankungen sowie unsere Campingerfahrungen haben uns gelehrt, „Zwiebel-Look“ zu tragen (also mehrere Schichten aus T-Shirt, Sweatshirt, Weste oder Funktionsjacke und als letzte Waffe die Wetter- bzw. Thermojacke). Wir sind also gut vorbereitet.

Hui, festhalten ist angesagt.

Dann geht es los. Das speziell für Beobachtungszwecke gebaute Schiff bewegt sich mit hohem Tempo etwa eine halbe Stunde hinaus auf das offene Meer. Der Wellengang ist stark, aber zumindest für uns noch erträglich. Jana und ich schauen uns an und ahnen, welche Taktik hinter der zwar unterhaltsamen, doch auch langsam etwas nervigen Ansprache des Guides stecken könnte. Will er magenempfindliche Fahrgäste vielleicht damit einfach ablenken?

Dann verlangsamt sich die Geschwindigkeit. Wir dürfen das Schiffsinnere verlassen und das Deck betreten. Von oben nehmen wir Helikoptergeräusche wahr. Diejenigen mit etwas mehr Budget suchen nach den raren Riesen bequem aus der Luft. Haben Sie schon etwas gesehen? Sind wir unserem Ziel nah? Dann bittet uns der Guide, die Wasseroberfläche zu beobachten, darauf zu achten, ob wir regelmässig kleinere Wasserfontänen sehen und ihm oder dem Kapitän einen Hinweis zu geben. Angestrengt schauen wir auf das Wasser. Die Augen gewöhnen sich an das Auf und Ab sowie die schäumenden Wellenbewegungen.

Horch und Guck in Neuseeland. Ein kleiner Eingriff in die Privatsphäre des Wales.

Der Kapitän greift zu einer Stange, an deren unterem Ende ein Ortungsgerät befestigt ist. Nach einigen Minuten schaut er zufrieden auf die Messdaten und lenkt das Schiff einen kleinen Abschnitt weiter. Nun wissen wir auch, dass der Helikopter einfach nur dem Boot folgt – die dort oben haben vielleicht eine weitere Sicht, können aber die Laute der Wale nicht abfangen. 

Unsere Anspannung steigt. Werden wir heute tatsächlich zum ersten Mal in unserem Leben einen Wal in seinem natürlichen Lebensraum sehen?

Dann ist es soweit. Der Guide scheint trotz aller Erfahrung und Routine selbst emotional dabei zu sein, sagt an, wohin sich unsere Augen richten sollen. Da ist er, der regelmässig wiederkehrende Wasserspringbrunnen, der aus dem Ozean tanzt. Erst ahnen wir, nach ein paar Sekunden sehen wir den riesigen grau glänzenden Rücken eines Pottwales. Ein Vertreter dieser Art und die Jagd nach ihm beschreibt Hermann Melville in seinem vor rund 170 Jahren veröffentlichten Roman.  Leider stellt der Romanverlauf mit dem am Ende überlebenden „Moby Dick“ im wahren Leben eher die Ausnahme als die Regel dar.

Der Rücken des Pottwales.

Wir staunen, fotografieren, versuchen mit allen Sinnen diesen Moment aufzunehmen und abzuspeichern. Diese Phase dauert nur wenige Minuten, bis der (wie wir hinterher vom Guide erfahren) etwa 16 bis 18 Meter lange Riese genug Luft geholt und verdaut hat, um danach wieder kilometertief abzutauchen. Doch genau dieser Augenblick des Eintauchens ist für mich atemberaubend schön. Kurz nach dem der Wal Schwung zu holen scheint, wölbt sich seinen Rücken nach oben, um dann ganz langsam wie in einer Zeitlupe zum Abschluss seine riesige Schwanzflosse zu zeigen. Diese gleitet geschmeidig in das tiefe Nass und Sekunden später sieht es auf der Wasseroberfläche aus, als wäre nichts gewesen.

Wir haben das grosse Glück, dieses Schauspiel kurz darauf noch einmal bei einem weiteren Wal miterleben zu dürfen. Anders als bei anderen Tierbeobachtungen empfinde ich hier eine besondere Art der Demut und Dankbarkeit. Trotz der Entfernung wirken die Wale sehr souverän, geradezu erhaben und trotz ihrer Grösse und Wucht überhaupt nicht bedrohlich, sondern eher freundlich auf mich. 

Das zufriedene Lächeln auf unseren Gesichtern wird noch grösser als wir auf dem Rückweg in einen Schwarm von bis zu 20 Schwarzdelphinen (Dusky Dolfines) geraten. Sie schwimmen sehr nah um das Boot, springen, verschwinden, kommen in kleineren Gruppen wieder. So geht es einige Male hin und her. Noch nie haben haben Jana und ich so viele dieser neugierigen und scheinbar spassigen Tiere gesehen. Langsam entfernen wir uns wieder von ihnen. 

Bevor wir Kaikoura wieder verlassen, besuchen wir am nächsten Tag die nur an wenigen Strandabschnitten zu findenden Pelzrobben. Sie geniessen die Sonne, legen sich von links nach rechts und halten ab und an ihre Nasen in den Wind. Besonderes Vergnügen bereitet mir eine Robbe, die im flachen Wasser im Küstenbereich auf dem Rücken liegend zeigt, wie gross doch die Ähnlichkeiten zwischen Mensch und Tier sein können.

Im Vordergrund ist kein Stein, sondern unsere Geniesserrobbe. Links ist die Schnauze und alle vier Flossen liegen auf dem Bauch. So lässt sie sich treiben und scheint völlig bei sich zu sein.

Wie sie so entspannt im Wasser liegt, stelle ich mir einen Pauschaltouristen in einem aufblasbaren Schwimmsessel mit Cocktailhalter rechts und Handyablage links im Pool vor. Ich kann mir ein Schmunzeln nicht verkneifen. Ein herrliches Bild voller Wohlbefinden und einfacher Glückseligkeit.

Ein paar Wochen später hat sich dieser Eindruck in den Catlins im Südwesten der Südinsel verfestigt. Nach einem längeren Strandspaziergang konnten wir dort die Verwandten der Pelzrobben, die Seelöwen beobachten.

Auch sie verstanden es, ihren Landgang ausgiebig zu geniessen, obwohl es kühl und sehr windig war. Aber da hilft eben ein Wärmepolster. Meines half mir auch. Auch wenn es, zugegebenermassen, nicht so putzig anzusehen ist, wie das der bärtigen Riesen mit den kurzen Flossen. Wir hatten den Eindruck, das sich einer der beobachteten Prachtkerle für seine Gäste ganz besonders ins Zeug legte: einmal umgedreht, dann linke Flosse hoch, rechte Flosse hoch, hingesetzt, Profil einmal von links, Profil einmal von rechts gezeigt und dann…. ging es über den Laufsteg, äh den Strand. Nur um dann erstmal wieder zu pausieren und nachzuschauen, ob die Kameras auch noch alle auf ihn gerichtet sind. Ich werde das Gefühl nicht los, das Tiere oft viel menschlicher sind, als wir es uns eingestehen wollen. Dieses Bild erinnert mich an meine Jugend, als sich im Strandbad Berlin-Grünau ähnliche Szenen mit menschlichen Prachtexemplaren abspielten. 

Als letztes bleibt mir eine kurze, aber um so eindrücklichere Begegnung mit einem Zwergpinguin während des Abel-Tasman-Tracks, einer Wanderung zu Wasser und an der Küste im Norden der Südinsel, in Erinnerung. Jana und ich waren am zweiten Tag mit einen Kayak an der Küste unterwegs und kurz davor, den an diesem Tag geplanten und nur vom Meer erreichbaren Campingplatz in der Mosquito Bay zu erreichen.

Der wohl beste Zeltplatz auf unserer Reise in Neuseeland – Mosquito Bay.
Unsere Kamera war nicht schnell genug zur Hand. Deshalb ist dies kein Foto von uns vom Zwerg.

Plötzlich tauchte ein Zwergpinguin (in Neuseeland heissen diese „Blue Pinguins“) links vom Kajak auf. Aus dem Augenwinkel dachte ich zunächst an einen Wasservogel, von denen es viele gab. Auf den zweiten Blick erkannten wir den besonderen Besucher und hatten einige Momente, in den wir die Paddel ins Boot und unseren Fokus auf den mit 35 bis 40 cm kleinsten Pinguin der Welt legten. Er schien es zunächst nicht eilig zu haben, so dass wir ein paar stille Augenblicke mit ihm gemeinsam hatten, bis er schliesslich abtauchte und nicht mehr zu sehen war.

Ich glaube nicht, das das Meer nur ein Geheimnis, sondern mehrere birgt. Es ist wie die Seele eines Menschen, manchmal klar bis auf den Grund, dann wieder spiegelt sie im nächsten Moment nur ihr Gegenüber, wie das Wasser den Himmel. Sie kann eintrüben, wenn Sturm aufkommt oder in der Tiefe der Boden aufwühlt. Wie die Seele so ist auch das Meer empfindlich.

Da ist etwas im Busch

Wir steigen noch ganz verschlafen ohne Frühstück in unser Auto und fahren pünktlich zum Sonnenaufgang los. Früh am morgen sind die Bedingungen für Tierbeobachtungen besonders gut. Und was wir nicht alles bereits in den ersten zwei Stunden zu Gesicht bekommen! Der Nationalpark ist ein wahres Paradies für Tierfreunde. Die unterschiedlichsten Arten tummeln sich an dem Wasserloch – zwischen den Zebras stehen Impalas, Gnus, Kudus und Springböcke. Auch Giraffen und Warzenschweine sind in der Nähe. Von weitem sehen wir eine Gruppe Elefanten herankommen.….

Während Micha und ich in Neuseeland reisen, denke ich öfters an die Safari in Afrika, die ich im August 2017 mit meiner Mama gemacht habe. In den Nationalparks von Namibia und Botsuana wimmelt es nur so von den unterschiedlichsten Tierarten. Hier in Neuseeland hingegen muss ich ein wenig mehr Geduld mitbringen und meine Augen und vor allem die Ohren stets offen halten. Es gibt bei weitem nicht so viele Tiere und sie sind schon garnicht so einfach zu sehen, wie in Afrika. Aber die Begegnungen mit ihnen sind nicht minder eindrucksvoll oder nachhaltig. 

Kiwis auf Schildern sehen wir in Neuseeland häufig. Aber werden wir ihn auch in Natur zu Gesicht bekommen?

Neuseeland ist bekannt für seine einzigartige Vogelwelt  – besonders berühmt ist der flugunfähige Kiwi, den jedoch kaum ein Neuseeländer je in freier Wildbahn gesehen hat. Er ist nachtaktiv und gilt als besonders scheu. Dies ist sicher keine schlechte Angewohnheit – schließlich kann er bei Gefahr nicht einfach davon fliegen. 

Andere Arten können sich durchaus ein wenig Neugier, Zutraulichkeit  – ja sogar einen gewissen Grad an Frechheit leisten. Der Robin (auf Deutsch „Scheinzaunkönig“) ist besonders aufgeweckt und fliegt auf unseren Wanderungen oft sehr knapp an uns vorbei, setzt sich dann kurz vor uns auf den Boden, hüpft vor unseren Füssen entlang und beobachtet uns neugierig. Natürlich bleiben wir jedesmal stehen und beobachten auch ihn – wir haben das Gefühl, dass auch er von uns gerne betrachtet wird.

Ein Weka begutachtet unsere Campingausrüstung. Fällt da noch was für mich ab?

Einer der kecken grau – weiss gefiederten Exemplare hüpfte sogar einmal direkt auf Michas Schuh – er verwechselte wohl den grell gelben Schnürsenkel mit einem scheinbar besonders attraktiven Wurm. 

Wekas sind ungeniert und haben es auf die „Mitbringsel“ der Wanderer abgesehen – eines dieser frechen nur auf Neuseeland vorkommenden Waldhühner hat uns in einem kurzen Augenblick der Unaufmerksamkeit schwups zwei Scheiben Brot aus der Essentüte geklaut. Ihr Appetit und ihre Kessheit werden wohl nur vom Kea (einer Papageienart) übertroffen. Wo sie vorkommen, hängen auf den Zeltplätzen sogar warnende Plakate. Keas fallen regelmässig über Zelte her – wohl eine Art sportlicher Wettkampf untereinander- wer kann das Zelt mit seinem spitzen Schnabel zuerst zerfleddern. 

Der Fantail (auf Deutsch „Neuseelandfächerschwanz“) ist etwas scheuer, bleibt mehr auf Abstand,  zeigt sich jedoch trotzdem oft  – er weiss wohl um sein schönes Aussehen und hüpft gerne von links nach rechts, wobei sein schöner, langer, gefächerter Schwanz besonders gut zur Geltung kommt. 

Andere Vögel beglücken uns auf unseren Wanderungen immer wieder mit ihren vielfältigen Stimmen. Den Bellbird mit seinem Namen gebenden Glockenklanggesang hören wir überall auf Neuseeland. Der Tui ist bekannt für sein grosses Repertoire. Wenn es aus einer Richtung hintereinander knarrt, krächzt, zwitschert, trällert und lieblich singt – dann kann der Tui seinen Schnabel mal wieder nicht halten.

Neben dem Gesang der Vögel hörten wir besonders auf der Nordinsel fast überall das stetige Zirpen der Zikaden. Sie hauen mit ihrem am Hinterleib sitzenden „Trommelorgan“ ordentlich auf die Pauke. Wenn sie in grosser Anzahl vorkommen, dann versteht man neben ihnen sein eigenes Wort nicht mehr. 

Auf unseren Wanderungen hören wir es auch öfter rascheln. Meist sind es kleine Vögel, die auf dem Boden nach etwas Essbarem suchen und wegfliegen, sobald wir näher kommen. Aber manchmal erleben wir auch Begegnungen der ganz besonderen Art.

Die Drei -Tageswanderung auf Stewart Island (eine kleine Insel ganz im Süden Neuseelands) nehmen wir auch wegen des Kiwis auf uns. Die Insel ist der einzige Ort in Neuseeland, an dem man mit etwas Glück einen der äusserst seltenen Vögel in freier Wildbahn zu Gesicht bekommt.

Die Rangerin gibt uns einen Tipp: nicht weit entfernt soll ein Kiwi sein Revier haben. Und so stapfen wir nach dem Abendessen nochmal raus, um unser Glück zu versuchen. Vor unsere Taschenlampen müssen wir eine rote Folie wickeln, damit wir durch das grelle Licht die Tiere nicht stören. Wir stehen mucksmäuschenstill an dem empfohlenen Ort und hören….nichts. Nach einer Weile ruft eine Eule in der Nähe. Wir harren aus. Dann ein Schrei. Es ist die Stimme eines Kiwis, der ziemlich weit weg sein muss.  Interessanterweise ist der „Gesang“ des berühmten Vogels eher ein Wehklagen und erinnert mich sehr an das mürrische Miauen meines Katers, wenn er Hunger hat. Wir bleiben noch stehen und hören es nach einer kurzen Weile hinter uns rascheln.

Da ist etwas im Busch.

Ich höre, wie das Etwas durch die Farne läuft und nicht darauf zu achten scheint, sich besonders leise fortzubewegen. Ich mache meine Taschenlampe an und leuchte direkt auf die Stelle im Farn, an der ich das Geräusch vermute. Ich sehe nichts. Vielleicht war es nur eine Maus oder ein Possum. Wir beschliessen, weiter zu gehen und woanders nach einem Kiwi Ausschau zu halten. Aber auch dort sehen wir kein Exemplar. Als wir wieder an die ursprünglichen Stelle zurückkommen, sehe ich ihn plötzlich direkt vor mir auf dem Weg. Ein Kiwi! 🙂

Dieses Foto ist nicht von uns – wir waren zu sehr mit Staunen beschäftigt.

Besonders beeindruckt mich seine Grösse – vergleichbar mit einem Huhn. Unsere unmittelbare Anwesenheit oder das rote Licht scheinen ihn nicht zu stören. Er läuft recht gemütlich über den Weg, zurück in die Farne. Und da ist das Rascheln wieder – genau wie vorhin. Durch das laute Knacken des Unterholzes können wir seine Schritte akustisch verfolgen. Und tatsächlich, er geht wieder in Richtung des Weges. Mittlerweile sind auch die anderen Wanderer zu uns gekommen. Nun stehen wir alle gespannt und wie angewurzelt da. Der Kiwi kommt wieder auf den Weg, direkt auf unsere Füsse zugelaufen. Ich halte vor Aufregung die Luft an. Er scheint sich absolut auf seine Futtersuche zu konzentrieren, stochert mit dem langen Schnabel auf dem Boden herum und merkt wohl erst kurz vor unseren Füssen, dass es da nichts zu Fressen für ihn gibt. So bleibt er stehen, guckt sich um und dreht quasi auf dem Absatz um. Wir schauen uns mit grossen Augen und offenen Mündern an. Was für ein bewegender Moment. Langsam watschelnd verschwindet der Kiwi wieder im Wald. Wir können ihn noch eine Weile hören. Wow, wir sind alle total glücklich und wissen um die Besonderheit des Momentes. Auch für die Neuseeländer in der Runde ist dies eine „Kiwi-Premiere“.

Diese Wanderung hat es in sich. Manchmal müssen wir uns zum Affen machen und hangeln uns am Weg entlang, um nicht knöcheltief im Matsch zu versinken.

Am nächsten Tag achte ich besonders auf Geräusche aus dem Dickicht jenseits der Wege – vielleicht sehen wir ja noch einmal einen Kiwi? Auch wenn Sie vorwiegend nachtaktiv sind, an die „Tagruhe“ soll sich gerade die auf Stewart Island vorkommende Kiwiart nicht strikt halten. Nach rund zwei Stunden raschelt es im Farn. Wir halten an und warten ab. Es knackt wieder, ziemlich laut. Das könnte ein Kiwi sein. Micha und ich schauen uns an und versuchen das Rascheln zu orten. Das Tier, welches das Geräusch verursacht, kommt näher. Plötzlich ist das Knistern direkt vor uns. Das muss ja ein grosser Kiwi sein, schwant es mir, um diesen Gedanken im gleichen Moment zu verwerfen. Während mein Geist noch versucht, dieses laute Geräusch einem Tier zuzuordnen, steht es auch schon direkt vor uns und schaut uns ganz überrascht, aber nicht ängstlich an.

Wieder ist etwas im Busch…. Diesmal ist es ein Reh.

Wir starren es mit genauso grossen Augen an, wie es uns anschaut. Was nun? Wir bleiben stehen, das Reh verharrt weiterhin direkt vor uns. Ich  schaue ihm eine lange Zeit fasziniert direkt in die Augen. Micha macht sogar einige Fotos. Das Reh sieht anscheinend keine Gefahr in uns und läuft gemächlich an uns vorbei. Was für eine Begegnung! Rehe haben wir beide schon oft gesehen, aber noch nie so nah im tiefen Wald für einen so langen Zeitraum.

„Meinst du wirklich, ich kann da mal rein?“

Neben der Vielzahl an Vögeln, Insekten und Wild gibt es in Neuseeland natürlich auch jede Menge Haustiere. In jedem AirBnB, in dem wir in Neuseeland sind, wohnt mindestens auch eine Katze. Auch sie haben natürlich ihren Charme und einen ganz besonders süssen Kater möchte ich euch nicht vorenthalten. Dieser Kleine hier heisst „Coast“, er ist erst ein paar Wochen alt und ausgesprochen neugierig. Immer will er dabei sein, überall reingucken. Ein Knäuel pure Lebensfreude.

Und so sind es in Neuseeland die ganz individuellen Begegnungen mit den einzelnen Tieren, die diese Reise, neben all den anderen Erlebnissen, zu etwas Besonderem machen. Hier erwartet den Besucher nicht – wie auf einer Safari – eine Vielzahl an Tieren auf kleinem Terrain. Hier darf man nach den Tieren suchen, Geduld haben und sie auf sich zukommen lassen. Wer sich darauf einlässt, der hat in Neuseeland den ganzen Tag und die ganze Nacht gute Bedingungen für Tierbeobachtungen.

Some like it hot

Wie schon berichtet haben uns Maike und Martin, zwei Deutsche Weltenbummler, an unserem ersten Campingplatz aufgegabelt und uns sogar bis zum unserem Motel in Thames mitgenommen. Jana und Maike zeigten soziale Kompetenz gepaart mit Sinn für das Praktische und tauschten Telefonnummern aus. Das sollte Folgen haben. 🙂 

Beide sind etwa Mitte zwanzig und stehen nach ihren Studienabschlüssen und kurzer beruflicher Tätigkeit noch am Anfang ihrer Karrieren. Bevor es so richtig mit dem Arbeiten losgehen sollte, hatten sie beschlossen, erstmal gemeinsam ein Jahr zu reisen. Sie kündigten ihre Jobs und ihre Wohnungen. Wahrscheinlich war es das, was uns gegenseitig besonders sympathisch gemacht hat.

Die vier Weggefährten auf Zeit

Wir verabreden uns in Rotorua, um eine Zeit gemeinsam zu reisen, denn wir haben ähnliche Ziele. Also übernehmen wir die Kosten des Grosseinkaufs an Lebensmitteln und sind dafür freundliche Wegbegleiter der Beiden für ein paar Tage.

Nach den ersten Wochen mit wechselhaftem Wetter freuen wir uns nun auf eine Gegend in der uns ziemlich sicher warm oder sogar hot wird. 

Rotorua ist ein Synonym für Neuseelands Geysire, heisse Quellen und Schlammlöcher. Die Stadt liegt in der Mitte der Nordinsel und am Rand eines der grössten und interessantesten geothermischen Felder Neuseelands. 

 Das Gebiet ist in diesem Punkt laut Meinung der Experten nur vergleichbar mit dem  Yellowstone-Nationalpark in den USA oder mit der Vulkaninsel Island. Überall im Ort brodelt und zischt es. Ausserdem duftet es wie in einem Chemielabor oder anders ausgedrückt: es stinkt penetrant nach verfaulten Eiern. Endlich pupsen ohne schlechtes Gewissen. Ein Männerwitz, der auch bei den Frauen ankommt 🙂 Der Fachmann weiss den Geruch natürlich besser einzuordnen: Es ist der Schwefel, der aus den Erdlöchern dampft. Weisse Krusten umgeben heisse Quellen und gelbe Farbflecken aus Schwefel überziehen Uferpassagen, in Tümpeln blubbert und wallt es wie aus kleinen Vulkanen. An einigen Stellen kommt bis zu 100 Grad heisse Flüssigkeit aus der Erde.

Warnschilder weisen auf die Gefahren hin. 
Immer schön aufpassen und auf dem Weg bleiben.

Die spektakulärste Thermalzone um  Rotorura herum ist wohl das Wai-O-Tapu. Wir beschliessen gemeinsam einen Besuch. 

Dort angekommen, reihen wir uns in die Warteschlange vorwiegend asiatischer Touristen ein. Es geht schnell. Wir sind im Park und werden mit fantastischen,  farbenfrohen, zugleich morbide und unwirklich wirkenden Bildern belohnt.

Man drängelt, staunt und knipst.
Ein unbearbeitetes Foto von einem See.

Ich fühle mich dem, was normalerweise nur unter der Erdoberfläche herrscht, sehr nahe. Ich stelle mir vor, wie dünn die oberste Erdschicht ist und was alles darunter existieren mag. Ähnlich wie bei Jules Verne „20.000 Meilen unter dem Meer“ – nur eben direkt unter der Erdoberfläche. 

Wir lächeln. Aber wenn ihr wüsstet, wie es hier riecht…… 🙂

Der in Form einer Acht angelegte Rundgang führt uns an verschieden farbigen „Seen“, Kratern, Tümpeln und Quellen vorbei. Besonders speziell wirkt die Farbe des sogenannten „Champagnerpools“, ein heisser See von etwa 60 Metern Durchmesser, in dem das aufsteigende Kohlendioxid brodelt – sein Rand ist durch Mineralien (Schwefel und Antimon) rostrot eingefärbt. Ich denke weniger an das edle französische Getränk, eher an eine misslungene Farbmischung aus dem Baumarkt, die für das Schlafzimmer gedacht, dann aber doch für das Gästezimmer verwendet wurde.

Der Champagnerpool.

Nach einigen Stunden und gefühlt hundert Fotos verlassen wir das Areal. Martin chauffiert uns zu einem wunderschönen einsamen Campingplatz. Einziger Haken an der Sache: alle ausser der Fahrer selbst laufen die letzten anderthalb Kilometer zu Fuss. Ihr tiefer gelegte Toyota setzt ab und an auf die Schotterstrasse. Das bereitet Martin zusehends Unbehagen und er kommt ins Schwitzen – er mochte es in dem Fall nicht ganz so „hot“.  Jana und ich zeigen Solidarität und bieten an, auszusteigen, um das Gewicht zu reduzieren. Martin stimmt sofort zu. Maike schliesst sich uns an. Am Ziel angekommen werden wir mit einem herrlichen Plätzchen direkt am Wald und Fluß gelegen belohnt.

Gestatten: Der Fluss. Unser Bad und unsere Küche.

Da nach Einbruch der Dunkelheit die Nacht sternenklar ist, unternehmen wir eine Nachtwanderung, die auch als offizieller Pfad ausgewiesen ist. Ein Meer von Glühwürmchen, insbesondere im Wurzelwerk umgestürzter Bäume, scheinen den Nachthimmel bis in den Wald hinein zu verlängern.

Ein Silberfarn. Gross wie ein Baum.

Nach den Tagen in der Natur beschliessen Jana und ich noch etwas in Rotorua zu bleiben, während Maike und Martin weiterreisen. Vor dem alten, aber sehr schön restaurierten Stadtbad befindet sich ein parkähnlicher Krocket-Platz, der insbesondere von den älteren Einheimischen genutzt zu werden scheint. Wir beobachten sie beim Spiel, während wir unsere mitgebrachten Abendsnacks am Spielfeldrand verzehren.

Am Ende des Spiels plauschen wir mit einer etwa achtzigjährigen Dame, die die verschiedensten Spielvarianten geübt hat bis keiner ihrer Mitspieler mehr da war. Wir erfahren, das sie aus Berlin-Friedenau kommt, einen Neuseeländer in den Fünfziger Jahren auf einer Rheinfahrt kennengelernt hat und diesen nach nur 10 gemeinsam verbrachten Tagen geheiratet hat. Seit über sechzig Jahren lebt sie nun in Neuseeland. Ich als gebürtiger Berliner, bin berührt von dieser Zufallsbegegnung mit einer anderen Berlinerin, die vor so langer Zeit ihr Glück fern der Heimat gefunden und ihre spontane Entscheidung nie bereut hat.

Bevor es weitergeht, besuchen wir das Thermalbad, welches in der Vielfalt der verwendeten Quellen mit ihren teilweise sehr hohen Temperaturen ziemlich einzigartig ist. So geniessen wir den Abend und lassen die letzten Tage in einem warmen Quellbad Revue passieren. So mögen wir es ganz besonders, wenn es heiss ist….We like it hot.

von Micha

Rivertime

„Der Weg ist das Ziel“ Ist das denn immer so? Für mich war oft das Ziel das Ziel und wenn es erreicht war, habe ich mir neue Ziele gesteckt. Die Flusswanderung über die wir nun berichten, half mir zu verstehen, warum es nicht immer auf das Ziel, sondern doch oft eher auf den Weg ankommt.

Wir sitzen um 7 Uhr morgens in einem Besprechungsraum mit zwei anderen Deutschen und drei Franzosen. Ein junger, sportlicher Mann begrüsst uns euphorisch. „How are we today?“ fragt er energisch in den Raum. Ich wundere mich immer wieder, warum die meisten Kiwis immer in der „Wir“ Form reden, wenn sie doch eigentlich „Uns“ oder „Mich“ meinen. Vielleicht ist das hier die gängige Höflichkeitsform. Wir alle erwidern mit „Great“,  auch wenn unsere Körperhaltung eher „Müde“ signalisiert.

Sogleich zeigt er uns eine Tafel mit schnell dahin gemaltem Gekritzel. Darauf zu sehen sind: 

  • ein Fluss, der eine Kurve macht
  • an einem Rand der Kurve ein Steinstrand, an dem anderen Rand ein Felsen
  • wir erkennen Bäume und Felsbrocken, die im Fluss eingezeichnet sind
  • mehrere Stromschnellen, die durch Wellen symbolisiert werden
  • und ganz am Rand wurde ein Symbol für ein Schnellboot in den Fluss skizziert
Das ist die Strecke, die wir paddeln wollen. Von Taumarunui bis Pipiriki.

Kurz: alle Gefahren, die in den nächsten Tagen auf uns warten, sind in diesem einen Bild zusammengefasst. Mir wird ganz mulmig. Wollen wir das wirklich machen? Sieben Tage lang einen Fluss hinunter paddeln? 145 Kilometer gespickt mit all den Gefahren?

Ich schaue mich um. Den anderen geht es wohl ähnlich. Der Instrukteur erklärt uns zu jeder Situation, wie wir uns am besten verhalten. Stromschnellen kündigen sich immer an – das Wasser bildet dort ein sogenanntes „V“, welche man vom Kanu aus immer gut erkennt. „Fahrt in das V hinein, denn da ist der Bereich, wo das meiste Wasser fliesst“. 198 Stromschnellen liegen laut Karte vor uns. Aber wir sollen uns nicht einschüchtern lassen – die meisten sind nicht der Rede wert. Wir besprechen die anderen Gefahren und schauen uns Videos von „Gekenterten“ an. Man soll ja aus den Fehlern der anderen lernen.

Der Whanganui National Park – mitten in der Nordinsel Neuseelands. Auch auf der Karte – rundherum alles grün.

Wir werden in einem Naturschutzgebiet sein – es gibt kein Telefonnetz, nirgends. Falls uns etwas passiert, sollen wir einfach an das nächstmögliche Ufer paddeln und warten. Ab und zu kommen Schnellboote vorbei oder eben andere Touristen im Kanu, die dann für Hilfe sorgen können. Wir sollen auf keinen Fall versuchen, in den Wald und auf einen Berg zu laufen, in der Hoffnung auf Handyempfang in der Höhe. Wir würden uns nur verlaufen und das würde dann sehr teuer werden, denn dann müssen sie mit einem Hubschrauber nach uns suchen. Alles klar.

Das erwartet uns. Viel Natur und tolles Wetter.

Die anderen fünf Gäste haben eine Drei-Tages Tour gebucht. Sie dürfen nach dem ersten Teil der Einweisung gehen und werden zu ihrem Startpunkt gefahren. Wir hingegen haben eine Fünf-Tages Tour gebucht, die direkt vor Ort anfängt. Allerdings werden wir diese Tour in sieben Tagen meistern – einfach, weil uns die vorgegebenen Etappenziele zu hoch erscheinen. Wir sind ja hier nicht im Trainingslager für angehende Weltmeister im Kanufahren. Der Kiwi nennt diese gemütliche Art des Reisens – „Rivertime“ – wie passend. Wir sollen sitzen bleiben, denn wir bekommen noch ein Spezial-Briefing. Die Strecke, beginnend vor der Haustür, soll nicht ganz einfach sein und es gibt noch ein paar Situationen, die wir beachten sollen. „Aber wenn wir diesen ersten Tag gut meistern, dann wird der Rest der Strecke fast zum Kinderspiel“ …. sagte der Guide und grinste. Na dann.

Wie soll denn bitte all unser Gepäck in diese sechs Tonnen passen?

Aber bevor es los geht, heisst es: Tonnen packen. Wir bekommen insgesamt sechs blaue Tonnen für die Reise, fünf kleinere, die wasserdicht sein sollen und eine grosse, die nicht unbedingt komplett wasserdicht ist. Wir entscheiden uns, zwei Tonnen fürs Essen zu verwenden, je eine Tonne für persönliche Sachen wie Schlafsack, Klamotten, Wechselschuhe etc., eine Tonne für Gaskocher, unsere Technik, und die grosse Tonne für das Zelt und das Wasser zu nehmen.

Futter für zwei Erwachsene und acht Tage. Wir sollen für den Notfall Essen für einen extra Tag mitnehmen.
Ab jetzt nur noch der Fluss, das Kanu und wir. 

Uns wird gezeigt, wie wir die Tonnen am Boot verschnüren müssen, so dass sie nicht hinausfallen, sollten wir einmal kentern. Wir bekommen Schwimmwesten, die wir immer zu tragen haben. Dann dürfen wir in unser grünes Kanu einsteigen. Wir sollen eine kleine Runde vor dem Instrukteur auf dem Fluss paddeln, damit wir ein Gefühl für das Paddeln bekommen und er uns sieht. Wir scheinen uns normal gut anzustellen und bekommen nach Abgabe einer Enthaftungserklärung die Startfreigabe. Dann geht es los.

Sehr angenehm, wenn „Mann“ die Sachen nicht auf dem Rücken tragen muss.

Der Fluss hat eine ordentliche Strömung und so erreichen wir bald die erste der besagten Kurven. Links ein Steinstrand, rechts grosses Steingeröll und in der Mitte eine Stromschnelle. Wir erkennen das „V“ und fahren hinein. Wir machen uns flach, drücken unsere Knie von innen gegen das Kanu, so dass möglichst viel Gewicht unten ist und paddeln. Auf keinen Fall dürfen wir vom Fluss gegen die Steine gedrückt werden. Aber das passiert nicht. Wir sind mitten drin in der Strömung und fliessen mit ihr durch die Kurve. Hui, das war aufregend. Ich schaue nach hinten zu Micha. Er grinst und hält den Daumen nach oben: „Läuft“. 

Wir paddeln weiter, vorbei an vereinzelten Schafen und Ziegen. Die Landschaft ist wunderschön grün. Wir durchfahren mehrere kleinere Stromschnellen und müssen immer wieder Felsbrocken, die im Fluss liegen, ausweichen. Manchmal sind es auch ganze Bäume inklusive Wurzelwerk, die ein Erdrutsch in den Fluss befördert hat und so kleine Hindernisse darstellen. Wir umfahren sie und kommen gut voran. Am frühen Nachmittag machen wir eine Pause an einem der vielen Steinstrände.


Satt und voller Freude, dass wir bis jetzt so gut vorangekommen sind, starten wir in den zweiten Teil des Tages. Keine 30 Minuten später sind wir plitscheplatschenass. 

Stromschnelle Nummer 34 hat uns umgehauen. Das ging ganz schnell – wir stiessen in einer Kurve an einen Ast, Wasser schwappte von der einen Seite in das Boot und schwupps landeten wir im Fluss. Wir haben uns mit grossen Augen angeschaut und begriffen in dem Moment garnicht, was passiert war. „Geht es dir gut? Hast du dein Paddel noch?“ Das Boot steht auf dem Kopf. Wir ziehen es schwimmend ans Ufer und freuen uns, dass wir die Tonnen so gut verschnürt hatten. Alles ist noch an seinem Platz und kein Deckel ist aufgegangen. 

Hier ist der Fluss ruhig, wir können eine Paddelpause einlegen und Fotos machen.

Die nächsten Tage sind entspannter. Wir paddeln jeden Tag circa vier bis fünf Stunden und können die Natur richtig geniessen. An manchen Stellen wird der Fluss ruhiger, dann lehnen wir uns auch mal zurück und lassen uns für eine Weile treiben. Ahh, das tut auch unseren Armen und Schultern gut. Da wir die Strecke in sieben und nicht fünf Tagen paddeln legen wir weniger Kilometer pro Tag zurück als die meisten anderen Touristen. Wir übernachten auf Zeltplätzen die kleiner sind und weniger häufig frequentiert werden. Am zweiten Tag kommen wir als Erste auf dem Zeltplatz an. Wahnsinn. Was für ein Ausblick! Wir bauen das Zelt am schönsten Fleckchen auf. Dann wird nochmal ein Bad genommen. Es ist doch viel angenehmer, wenn man selbst bestimmt, wann man nass werden möchte.

Wir geniessen die Stille und können garnicht fassen, dass wirklich kein anderes Boot mehr anlegt. Sollten wir wirklich ganz alleine die Nacht hier verbringen dürfen? Na, so ganz alleine sind wir dann doch nicht. Keine 20 Minuten nachdem wir in unser Zelt gekrochen waren, hören wir langsame, behutsame Schritte. Dann ein Schrei von einem Vogel, ein Aufflattern und wieder Schritte, diesmal schneller. Das war eindeutig ein Angriff auf einen Vogel. Wir glauben, dem Federvieh ist nichts passiert. Der Räuber schien frustriert über seinen erfolglosen Jagdeinsatz, schlich noch eine ganze Weile um unser Zelt herum und raubte so zumindest Micha für ein paar Stunden den Schlaf.

Das Possum – der Vogelfresser scheint Staatsfeind Nr. 1 in Neuseeland zu sein.

Am nächsten Morgen sahen wir dann auch noch einen lieben Gruss von dem genervten Tier – es war ein Possum und es hat auf der Bank, genau da, wo wir am Abend zuvor gesessen hatten sein Revier deutlich markiert. Anscheinend kommen wirklich nicht viele Touristen an diesem Zeltplatz vorbei. 

So vergehen die Tage. Wir finden unseren Rhythmus: Paddeln, Ankommen, Zeltaufbauen, Abendbrotessen, Schlafen, Aufwachen, Zeltabbauen, Frühstücken und Weiterpaddeln. Es ist wirklich erstaunlich, wie schnell sich unsere Körper an die Gegebenheiten anpassen. Sobald es anfängt zu dämmern, werden wir müde. Sobald morgens die Vögel singen und die ersten Sonnenstrahlen durch die Baumkronen blitzeln, werden wir wach. Es scheint, wir brauchen hier draussen in der Natur viel mehr Schlaf als sonst – hier können wir locker zehn Stunden schlummern. Bequem ist es auf einer dünnen Isomatte nicht, wir wachen mehrmals pro Nacht auf – vielleicht lautet die Devise des Körpers einfach: Quantität statt Qualität. 

Ein Gefühl wie im Dschungel.

Der North Island Robin – ein frecher und neugieriger Sperling, der so nur in Neuseeland vorkommt. Und im Vergleich zu anderen einheimischen Vogelarten sogar fliegen kann.

Der letzte Tag hat es dann wirklich nochmal in sich. Wir müssen früh aufstehen und zu einer Zeit losfahren, zu der wir in den letzten Tagen immer noch gemütlich gefrühstückt haben. Aber es nützt nichts, es liegen vier Stunden Rivertime vor uns. Wir werden bereits um 13.30 Uhr am Treffpunkt erwartet. Es gibt auf dieser Strecke drei Stromschnellen, die gefährlich sein sollen. Nach ungefähr zwei Stunden erreichen wir die erste brisante Stelle. Eigentlich sind es zwei Stromschnellen kurz hintereinander. Die erste meistern wir gut. Auch in der zweiten kippen wir nicht um. Aber … diesmal schwappt so viel Wasser in unser Boot, dass wir einige Meter nach der Schnelle, ganz langsam…. sinken – auch eine Art des Untergehens. Weniger spektakulär, weniger überraschend als am ersten Tag – aber komplett nass wurden wir auch diesmal. Also wieder ans Ufer schwimmen und raus aus den nassen Sachen. Noch zwei komplizierte Stromschnellen, noch zwei Stunden paddeln. Mir ist kalt und ich habe nicht mehr viel Lust. Stromschnelle Nummer zwei meistern wir gut – unser Kanu und wir bleiben trocken. Wir sind erleichtert.

Bei Stromschnelle Nummer drei sehen wir, wie das Kanu der zwei Jungs vor uns wild nach oben fliegt und von der Kraft des Wassers schlagartig umgerissen wird. Das sieht spektakulär aus. Wir halten an, schauen, ob sie wieder auftauchen und ob es ihnen gut geht. Es vergeht eine ganze Weile, bis wir sie an das Ufer laufen sehen. Das Kanu im Schlepptau. Micha und ich sind uns sofort einig – ein erneutes Kentern, wollen wir nicht riskieren. Wir paddeln also geradewegs auf den Strand zu, steigen dort aus und lassen die Stromschnelle links liegen. Wir ziehen das Kanu am Flussrand entlang und freuen uns, nicht im Wasser gelandet zu sein. Schliesslich heisst diese Stelle nicht umsonst Fifty/Fifty. 50 Prozent der Kanufahrer kentern an dieser Stelle – die anderen 50 Prozent schaffen es…weil sie angeblich einfach am Ufer neben der Stromschnelle laufen und das Boot hinter sich herziehen. Wie wir finden, keine schlechte Idee. Obwohl wir nach uns ein Pärchen gesehen haben, wie sie unbeschadet durch diese Schnelle gefahren sind. Chapeau. 

Geschafft!

Und so kommen wir müde, aber pünktlich am Treffpunkt an. Der Veranstalter begrüsst uns mit Saft und Schokoladenmuffins, verstaut die Kanus im Anhänger und fährt uns nun in einem Transporter zum Ausgangspunkt der Tour. Für die gesamte Strecke zurück braucht das Auto gerade einmal drei Stunden. 

Wir hingegen waren sieben Tage im Kanu unterwegs, eine ganze Woche lang Rivertime. Jeden einzelnen Tag haben wir genossen, haben die Natur bestaunt, den Vögel gelauscht, Ziegen am Ufer gezählt, haben uns die Sonne auf die Nasen scheinen lassen, sind zum Teil gegen den Wind gepaddelt, durften einen Nachthimmel voller glitzernder Sterne beobachten, haben bis auf drei Ausnahmen die Stromschnellen gut gemeistert und sind meistens freiwillig baden gegangen.

Für diese Reise auf dem Whanganui-Fluss können wir wirklich sagen, dass der Weg das Ziel war.

P.S. Auf Müsliriegel haben wir erstmal keinen Appetit mehr. 

von Jana

Unsere persönliche „Herr der Ringe“-Trilogie

„Es ist eine gefährliche Sache, Frodo, aus Deiner Tür hinauszugehen. Du betrittst die Strasse, und wenn Du nicht auf Deine Füße aufpasst, kannst Du nicht wissen, wohin sie Dich tragen.“

Bilbo zu Frodo aus “Herr Der Ringe – Die Gefährten”

Wie Millionen Andere begeisterte mich vor vielen Jahren die Romanverfilmung von J.R.R. Tolkien‘s “Der Herr der Ringe”. Obwohl ich das Buch selbst nie las, schwelgten diejenigen, die sich durch das lange Werk durchgelesen hatten davon, wie von einem süßen langen Traum. Der Glanz in ihren Augen sagte mir, dass jeder für sich reich beschenkt worden sein muß. Was es war, wollte ich selbst herausfinden, als ich vor 18 Jahren den ersten Teil der Romanverfilmung im Kino sah. Ich wurde “infiziert”, habe die Trilogie sowie die viele Jahre später erfolgte Verfilmung “Der Hobbit” gesehen.

Wie könnte ich nicht an die vielen Orte, Helden, Zauberer und Fabelwesen denken, wenn ich in dem Land zu Gast bin, in dem all die Phantasiegestalten aus dem Roman zum Leben erweckt wurden.

Dass Jana mich an diese Orte begleitet ohne je einen der Herr der Ringe Filme gesehen zu haben, hat mich berührt. Was für ein Opfer und Liebesbeweis!

Das Auenland

Das „Auenland“ ist so real, das ich mich am liebsten gleich im „Green Dragon“ (die Kneipe aus dem Film gibt es wirklich – siehe Bild) ein paar Tage eingemietet und mich zu Frodo unter einen Apfelbaum gesetzt hätte.

In der Nähe des Örtchens Matamata wurden die Kulissen, die für „Der Hobbit“ dauerhaft errichtet wurden, in ein „Hobbiton“ umbenannt. Für diese feste Etablierung der Filmkulisse hatte sich der Eigentümer entschieden, da nach dem weltweiten Erfolg der „Herr der Ringe“-Trilogie jährlich Tausende Fans an diesen Ort pilgerten, obwohl es kaum etwas zu betrachten gab. Wenngleich der Eigentümer auch heute noch seine Farm mit Viehzucht betreibt, dürfte die Haupteinnahmequelle die (täglich!) Tausenden Besucher sein.

Wir würden definitiv nicht als Hobbits durchgehen – im wahrsten Sinne. Übrigens verbirgt sich hinter der Tür…nichts (ausser einer Wand).

 Mordor und der Schicksalsberg

Einige Tage später besuchen wir den Tongariro-Nationalpark, der im Film für die Szenen in „Mordor“ und am „Mount Doom – Schicksalsberg“, in den Frodo am Ende des dritten Teils nach langem Hin und Her den Ring wirft, als Drehort genutzt wurde.

Jana und ich haben uns für den an einem Tag schaffbaren Tongariro-Alpine-Crossing mit seinen rund 20 Kilometern und etwa 800 Höhenmetern entschieden. Ein Shuttle holt uns an unserem Backpacker-Hostel ab und fährt uns etwa eine halbe Stunde zum Startpunkt des bei In- und Ausländern sehr beliebten Wanderwegs. Dort angekommen, fühlt es sich ein bisschen wie in einem internationalen Ferienlager an. Wanderer aus der ganzen Welt mit Gehhilfen, Säuglingen, Flip-Flops…..Der „Walk“, wie die Wanderwege hier heissen, hat es in sich, was Einige jedoch nicht davon abschreckt, neben der normalen körperlichen Herausforderung den Schwierigkeitsgrad durch die zuvor beschriebenen „Handicaps“ zu erhöhen. Wir waren jedenfalls froh, richtige Wanderschuhe und keine Kinder zu tragen.

Wo es hoch geht, geht es auch wieder runter. Und dieser Abstieg war äußerst steil und rutschig.

Wie beschreibe ich nun diese Landschaft? Wie beschreibt man den Geschmack einer sonnengereiften Erdbeere oder das Gefühl des ersten Kusses? Nicht das erste Mal auf dieser Reise merke ich, das Worte nur eine Skizze dessen sind, was ich e r l e b e. Dann denke ich an den Redner und Autor Dieter Lange (cooler Typ – das nur am Rande) : „Verstehen bekommt immer nur den Trostpreis“. Erfahrungen, praktisches, angewandtes Wissen ist das, was zählt und uns weiter bringt. Ich zeige Euch deshalb ein paar kommentierte Fotos und lege euch ans Herz, selbst jede Menge toller Erfahrungen zu machen (es muss ja nicht gleich Neuseeland sein). 🙂

Am Anfang des Weges wandern wir noch durch grüne Landschaften. Moose und andere alpine Pflanzen und Sträucher wachsen hier.
Je höher wir kommen, desto karger wird es. Zum Glück keine Spur von einem Ork.
Angekommen auf dem höchsten Punkt der Wanderung – am Kraterrand.
Die Emerald Lakes, gleich unter dem Krater, beeindrucken durch ihre Farben.

Das schreckliche Mordor ist gar nicht so übel. Eine karge, bizarr-schöne Natur. Ich empfinde Ehrfurcht im Angesicht dieser Vulkanlandschaft. Der „Schicksalsberg“ heisst eigentlich Mount Ngauruhoe und beeindruckt mich. Er wirkt jedoch im Vergleich zum benachbarten Mount Ruapehu, der etwa 500 Meter höher ist, wie sein kleiner Bruder. Wir laufen an seinem Fusse halb um ihn herum, weiter eine scheinbar endlose Ebene entlang. Dann geht es auf den höchsten Punkt der Wanderung mit 1.868 Metern, auf den Rand des Roten Krater`s. Bei dem Anstieg trennt sich die Spreu der fitten und angemessen gekleideten Wanderer vom Weizen, also vom Rest. Jana und ich sehen uns irgendwo dazwischen. Um richtig zügig mit den Besten mitzuhalten, sind wir einfach nicht ambitioiert genug. Wir lieben unsere Pausen mit dem Genuss der mitgeschleppten Äpfel, Proteinriegel und den Anblick unzähliger wunderschöner Details.

Das Bild braucht keine weitere Beschreibung.

Wir brauchten für die letzten fünf Kilometer atemberaubende zweieinhalb Stunden, da Jana wegen Kniebeschwerden den Talweg rückwärts lief. Und ich hatte am Ende des Tages eine Blase am kleinen linken Zeh. So hat eben jeder sein eigenes, kleines Handicap. Haha….

Dieses Bild auch nicht 🙂

Ziemlich erschöpft steigen wir also am Ende der Wanderung in den letztmöglichen Shuttle. Am Abend gönnen wir uns als Belohnung das zweite Mal auf dieser Reise ein Restaurantbesuch und geniessen einen Burger mit einem herrlich kalten lokalen Bier. Viel will ich davon aus zwei Gründen nicht trinken: 1. Der Alkoholgehalt des neuseeländischen Biers beginnt bei 4,9 Prozent und endet bei etwa neun Prozent. 2. Bier sowie Alkohol im Allgemeinen sind ziemlich hochpreisig.

Wellywood

Bevor wir auf die Südinsel übersetzen, verbringen wir drei Tage in der Landeshauptstadt „Windy“ Wellington. Was hier als laues Lüftchen von den Einheimischen betrachtet wird, würde wohl in den meisten deutschen Städten für Sturm- oder Orkanwarnungen sorgen. Ich mag es, wenn es windet und eine Brise weht. Das finde ich auch an Hamburg immer wieder schön. Aber was zuviel ist, ist zuviel. Ständig tränende Augen! Hüte und Schirme kannste vajessen…

Ein Neuseeländisches Insekt als Namensgeber. Uii

Was verbindet diesen Ort mit Matamata und dem Ruapehu? Es sind die WETA-Filmstudios, in den die Innenaufnahmen der „Herr der Ringe“ und der „Hobbit“-Trilogie sowie die technische Nachbearbeitung vieler Filmszenen erfolgten. Wir werden zwei Stunden durch verschiedene Bereiche geführt. Uns wird gezeigt, wie lange es vom ersten Entwurf bis zum finalen Exemplar einer Filmfigur wie einem Ork oder Uruk-hai dauert. Es stehen einige Miniaturmodelle von den Festungen herum, die (so wie alles andere) nicht fotografiert werden dürfen.

Der einzige, der für ein Foto zu haben ist, ist einer der Kreativdirektoren, der uns anschaulich vorführt, wie die ersten einfachen Entwürfe aus Alufolie geformt werden, bevor sie dann mit einem Material namens Pal Tiya bearbeitet werden.

3-D-Drucker, eine eigene Schmiede für die Schwerter und Messer sowie jede Menge Einzelstücke aus dort produzierten Filmen sind zu sehen. Ich verstehe, das viel improvisiert und recycelt wird. So wird aus einer Zitronenpresse ein Flugzeugmotor, Staubsaugerschläuche werden zu Verbindungsrohren zwischen Raumschiffen und das Innenleben ehemaliger Computer verwandelt sich zu einer Weltraumstation. Illusion ist alles und diese zu perfektionieren ist ja der Sinn dieses Ortes. Ich freue mich jedenfalls auf den ganz realen Cappuccino nach dieser Tour. 

Frodo hat sich den Weg, den er in der „Herr der Ringe“-Trilogie gegangen ist, nicht ausgesucht. Er wusste nicht, was ihn erwartet. Er ging trotzdem, weil etwas in ihm sagte, das dies seine Bestimmung war. Zumindest in diesem Punkt sehe ich eine Ähnlichkeit zu mir und dem Wunsch für diese Auszeit. Geschrumpft bin ich nicht und Fellfüsse habe ich auch nicht. Aber es tut gut, selbst zu erfahren, wie es ist, einfach loszugehen ohne zu wissen, wo der Weg endet. Dazu passend ein Zitat von Kurt Marti (Schweizer Theologe und Schriftsteller) an das ich denken muss: „Wo kämen wir hin,  wenn alle sagten, wo kämen wir hin, und niemand ginge, um einmal zu schauen, wohin man käme, wenn man ginge.“ Und so gehe ich nun weiter. 

von Micha

Über das Trampen

Wir haben euch bereits von unserer erster Erfahrung mit dem Trampen berichtet. Doch diesmal wird es wohl ein bisschen schwieriger werden – für eine Strecke von ca. 100 km nach Taupo gibt es keine vernünftige Busverbindung. Die einzige Möglichkeit ist eine komplizierte Zick-Zack-Fahrt und das wollen wir uns ersparen. Wir versuchen es nochmal mit Trampen. 

Im Hostel besorgen wir uns eine grosse, stabile Pappe und einen dicken Stift. Der Herbergsvater verrät uns, dass er nachher nach Taupo fährt, aber sein Auto schon vollbepackt ist und er deshalb keinen Platz für uns hat. Ausserdem, so sagt er, wäre es „No fun“, wenn er uns jetzt eine Mitfahrgelegenheit anbietet. Wir sollen uns einfach an die Strasse stellen und den Daumen raushalten. Mittlerweile können wir recht entspannt mit solchen ungewissen Situationen umgehen. Wir haben keinen Ahnung, wie wir von A nach B kommen, aber das wird schon.

„Don’t worry, be happy“

In irgendeinem Blog hatte ich mal gelesen, dass es beim Trampen hilft, wenn man nicht nur schnöde den Zielort auf ein Stück Pappe malt, sondern ein bisschen kreativ wird. Unsere Idee: Wir bieten dem oder der potenziellen Fahrer/in als Dankeschön eine Tafel Schokolade an. Wer kann da schon „Nein“ sagen? Micha nimmt sich Zeit und verschönert die Pappe noch mit einem kleinen Kunstwerk.

Wir laufen los, die Sonne knallt und wir japsen unter dem Gewicht unserer Rücksäcke. Wir müssen zu der Kreuzung laufen, die nach Taupo führt. Nach etwa 1 km kommen wir dort an und stellen fest, dass es hier weit und breit keinen Schatten gibt. Hoffentlich müssen wir nicht lange warten. 

Das erste Auto fährt an uns vorbei, der Fahrer macht ein Zeichen. Wahrscheinlich fährt er nicht nach Taupo. Dann kommt erstmal eine ganze Weile Niemand. Leere. Stille. Nur die Zikaden zirpen unentwegt. Wir nutzen die Zeit für ein Foto. Kein Auto kommt uns entgegen. Um unseren Anschlussbus in Taupo zu bekommen, müsste sich spätestens nach vier Stunden jemand erbarmen und uns mitnehmen. Doch so lange wollen und können wir hier wohl auch nicht in der prallen Sonne stehen. 

Ein zweites Auto biegt in die Strasse ein. Wir setzen unser bestes Lächeln auf. Es ist ein grosses Auto mit einer leeren Rückbank. Das könnte klappen. Die zwei Insassen schauen geradewegs….an uns vorbei. Wie unhöflich, denke ich. Wir witzeln…das müssen wohl selbst Touristen sein.

Und während wir Ihnen noch hinterherschauen, hält ein grosser weisser Van direkt vor unseren Füssen. Immy, so der Name des Fahrers, fährt über Taupo und nimmt uns gerne mit. Toll, besten Dank! Wir freuen uns wie Bolle. Das Bemalen des Schildes hat doch tatsächlich länger gedauert, als das Warten auf der Strasse an sich. Wie cool. Immy, ein Maori, erzählt uns, dass er viel unterwegs ist und öfter Tramper mitnimmt. Er redet gerne, nur leider verstehen wir aufgrund der recht lauten Reggae Musik nicht alles. Ein paar Stichwörter schnappen wir auf und können so durch Nachfragen das Gespräch am Laufen halten.

Im Hintergrund läuft Bobby McFerrin und ich muss schmunzeln.

von Jana


Endlich geht es in die Natur

Von Auckland fahren wir früh morgens mit einem Überlandbus nach Thames. So weit so gut. Aber wir wollen ja nicht in eine weitere Stadt, sondern in die Natur. Von dort sind es noch etwa 20 km bis zu dem von uns ausgesuchten Campingplatz im Naturschutzpark. Wir haben keine Ahnung, wie wir den letzten Streckenabschnitt zurücklegen sollen. Jana geht also sogleich in die Touristeninformation und fragt mal nach. Ja, es gäbe ein Taxiservice, der solch „Gestrandete“ wie uns für umgerechnet 35 Euro pro Person um 14 Uhr von hier bis zum Campingplatz fährt. Mmh – ok – danke. Das ist gut zu wissen, aber doch zu teuer und ausserdem hatten wir keine Lust, 3 Stunden auf der Information zu warten. 

Wir schnallen uns unsere Rucksäcke auf, die grossen Backpacker auf den Rücken und die kleineren City-Rucksäcke auf die Brust – das sieht lustig aus, hilft aber das Gleichgewicht zu behalten. Und so gehen wir die Hauptstrasse hinunter, bis wir zum entscheidenden Abzweig kommen, der in den Coromandel Forest Park, dem ausgedehnten Naturschutzgebiet, führt. Und da ist sie wieder, eine von Michas Lieblingsfragen:

„Wann habe ich das letzte Mal etwas zum ersten Mal gemacht?“ 

Wir trampen!

Heute ist ein Tag dafür. Wir schieben unsere Bedenken beiseite und versuchen, nicht an all die gruseligen Geschichten und Psychothriller zu denken, als wir, erst zaghaft, dann uns noch einmal umblickend, ob jemand mit vorgehaltener Hand den Finger auf uns zeigt, nun endlich mit dem freundlichsten Lächeln, das wir anzubieten haben, die Hand ausstrecken und die Daumen hochhalten.

Viele Autos fahren nicht die Strasse herunter. Dann kommt ein Campervan direkt auf uns zu, bremst ab und fährt auf den Parkplatz der gegenüberliegenden Tankstelle. Wir freuen uns schon. Ein älterer Mann mit ausgiebigen Sonnenschutz auf dem Kopf steigt aus, redet mit dem Tankwart, wechselt dann die Strassenseite und kommt auf uns zu. Ja, es scheint zu funktionieren. Er lächelt uns an, grüsst und fragt wohin es denn gehen solle. Wir lächeln zurück und antworten ihm in voller Vorfreude auf das erhoffte Angebot von ihm. „Aahhh – in the bush….so then enjoy your time“ bekommen wir jedoch stattdessen als Antwort. Er geht weiter und an uns vorbei. Oh nein. Wir stellen uns gedanklich auf ein längeres Verweilen am Strassenrand ein.

Weitere Autos fahren an uns vorbei, als dann plötzlich aus der entgegengesetzten Richtung eine schon arg gebrauchte japanische Karre mit einer Mutter und zwei kleinen Jungs auf uns zufährt, abbremst und vor uns wendet. Aus dem Auto heraus spricht sie uns an, fragt, wohin wir wollen. Noch etwas überrascht, antworten wir. „OK. I am going there as well, I will give you a lift.“ Wow, echt? Klasse! Jeana und ihre zwei blonden kleinen Jungs, die auch einem Astrid Lindgren-Buch hätten entspringen können, machen Platz. Wir laden unser Zeug ein. Das ist eine entspannte Tramperpremiere nach nur etwa einer Viertelstunde am Strassenrand. Micha fällt der Hannover 96-Sticker auf der Kofferraumklappe beim Verstauen der Rucksäcke auf. Als er Jeana später darauf anspricht, lacht sie. Den Wagen hat sie von einem Deutschen erworben. Sie hatte bislang keine Ahnung, was dieses Symbol bedeutet.

Unser erster Campingplatz, der Wainora-Campsite, befindet sich inmitten des Coromandelwaldes, einem Naturschutzgebiet in der nördlichen Mitte Neuseelands auf der gleichnamigen Halbinsel. Jetzt machen wir uns erstmal an den Zeltaufbau. Wieder eine Premiere. Micha hatte zwar versucht, das Zelt zu Hause einmal Probe aufzubauen, aber in einer Wohnung wollen die Heringe bekanntlich nicht so recht in den Boden. Wir kommen gut voran, nur ganz zum Schluss merken wir, dass etwas nicht so recht passt. Irgendwas ist schief. Aber was? Wir laufen mehrmals um das Zelt herum, finden aber keinen Fehler. 

Da kommt auch schon das Mädchen (Hannah) unseres Zeltplatznachbarn, bei dem wir uns vorher kurz vorgestellt haben, vorbei und fragt uns, ob wir nicht Lust hätten, mit ihnen zum Hoffmans Pool zu kommen. Mit dem Auto wären wir in 10 Minuten da und sie würden uns gerne mitnehmen. Klar wollen wir mit! Bei so einem Angebot sagen wir doch nicht Nein. Das Zelt kann warten. Wir legen getreu unserem Blogtitel erstmal ein „STOP“ ein.

Was für ein toller Ort – eine Stelle, an der der Fluss sehr tief ist und man von einem ca. 6 Meter hohen Felsen ins Wasser springen kann. „Are you joining us? “ fragte uns Hannah. Wenn ein 12jähriges Mädchen springt, welchen Grund sollten wir dann haben, es nicht zu tun? Der Weg auf den Felsen erwies sich als weitaus gefährlicher, als der Sprung an sich – aber das wussten wir ja nicht vorher. Einmal oben, dachten wir nicht lange nach und hüpften ins kühle, erfrischende Nass. Das tut gut. Wieder haben wir etwas zum ersten Mal gemacht. 

Zurück am Zeltplatz fällt uns dann auch gleich das Problem mit dem Zelt auf – zwei wichtige Schnüre am Boden waren nicht mit einander verknüpft. Das ändern wir flott. Und schon steht das Zelt gerade wie eine eins. Yeah, eine dritte Sache, die wir heute zum ersten Mal gemacht haben. Was für ein Tag! 

Am zweiten Tag wandern wir den circa 7 km langen Cookson Kauri Track, dessen Rundweg direkt am Zeltplatz startet. Auf einem hervorragend ausgebauten, allerdings im steileren Teil wegen der vielen Stufen etwas anstrengenden Weg, erreichen wir einen riesigen Kauri-Baum, den sogenannten Cookson Kauri. Wir würden ihn locker auf 35 m Höhe und mehrere hundert Jahre schätzen. Diese Baumart gibt es seit rund 190 Mio. Jahren, inzwischen sind jedoch nur noch wenige Exemplare übrig geblieben und diese nahezu ausschliesslich in Neuseeland. Einige verwandte Arten sind noch in vier weiteren Ländern zu finden.

Bei der Entdeckung Neuseelands durch den Niederländer Abel Tasman waren 95% des Landes mit Urwald bedeckt. Mitte des 19. Jahrhunderts wurde hier Gold entdeckt und gemeinsam mit den riesigen Baumbeständen abgebaut. Nach dem ersten Weltkrieg (bei dem rund 14.000 Neuseeländer starben) wurde der Bergbau reduziert und Ende der 50’er Jahre eingestellt. Der überwiegende heute sichtbare Teil der Waldbestände ist sogenannter „Sekundärbestand“. Dabei handelt es sich um wieder aufgeforstete Baumbestände. Die klimatischen Bedingungen, das milde und feuchte Klima haben zu seiner Erholung beigetragen. Der Wald sieht jedoch für unsere Augen sehr wild und ursprünglich und garnicht wie ein Sekundärwald aus. 

Am Tag darauf starten wir unsere erste grössere Wanderung über 2 Tage – den Pinnacle Track durch das Kauaeranga-Tal. Der Weg führt zunächst laut Beschilderung ungefähr 3,5 Stunden bergauf. Wir sehen Pflanzen in einer Abwechslung und Zusammenstellung wie nie zuvor. Farne sind so hoch und haben die Form von Palmen. Umgekippte Bäume mit Wurzel- und Rindenformationen, die uns neu waren, Silberfarne in der Grösse von riesigen Sonnenschirmen. Dazwischen viele Moose, Gräser und immer wieder kleine Rinnsale, die sich zu Bächlein verstärken. Zusammen mit Insekten, Schmetterlingen und Vögeln fordert alles unsere volle Aufmerksamkeit. 

Bis zum sogenannten „Hut“, einer jugendherbergsähnlichen Hütte, die etwa 80 Menschen in nur 2 Räumen eine Schlafgelegenheit bietet, brauchen wir deshalb ca. 5 Stunden. Dort angekommen erhält jeder eine Art Sportmatte zugewiesen. Die Nacht sollen wir nebeneinanderliegend, wie die Rollmöpse im Glas, verbringen.

Da Janas Knie durch diese Wanderung schon hart auf die Probe gestellt wird und nicht noch zusätzlich belastet werden soll, trägt Micha einen grossen Rucksack mit unseren Schlafsäcken, Kissen, der Regenkleidung und unserer Wanderzehrung für diese 2 Tage. 

Lester, der diensthabende Ranger und „Herbergsvater“ findet es beispielhaft, das der Mann den Rucksack und die Frau „lediglich“ die Verantwortung trägt. „Was für ein Vorbild! Von dem Deutschen könnten sich die KIWIS mal eine Scheibe abschneiden“ sagt er zu uns, aber eben auch so laut, dass es auch alle anderen Gäste hören. Die Frauen sind begeistert, die Männer sprechen Micha sogleich Tischverbot aus.

Jaja…die Deutschen. In einer Sache muss er uns aber schonmal vorab berichtigen, also noch bevor wir den Fehler machen dürfen. Die Bergspitze, die wir besteigen wollen, spricht man richtig: „Pinnickl“ aus. Die Deutschen würden nämlich aus dem Pinnacle immer ein „Peinickl“ machen, was ja völlig falsch wäre. Er weiss das nur zu gut. Schliesslich ist sein Chef bei dem Department of Conservation (D.O.C.) ein vor vielen Jahren ausgewanderter Deutscher…

Wegen angekündigten Regenwetters für den Folgetag machen wir uns noch am gleichen Abend auf, die Bergspitze zu besteigen, um dort den Sonnenuntergang zu geniessen. Wir sind mit dieser Idee nicht allein, sodass es ein recht geselliger einstündiger Aufstieg mit üppiger internationaler Plateaubesetzung ist. Die Aussicht ist grandios und bezeugt die Einzigartigkeit der unter uns liegenden Hügel- und Berglandschaft.

Auf dem Rückweg am nächsten Tag haben wir dann tatsächlich reichlich Regen. Ab der Tagesmitte bahnt sich jedoch die Sonne ihren Weg und wir haben Gelegenheit, uns in einem Bergfluss bei einem ausgiebigen Bad erst im Wasser und dann in der Sonne zu erfrischen und zu erholen. Am Abend sind wir froh, unsere erste grosse Wanderung blasenfrei, relativ Knieschmerzfrei, dafür aber mit jeder Menge toller Eindrücke geschafft zu haben. 

Mit Lester sind wir noch so verblieben, das er uns am nächsten Tag von unserem Zeltplatz abholt und nach Thames mitnimmt. Seine Dienstwoche auf dem „Hut“ endete an diesem Tag und da er auch in Thames wohnt, wäre das gar kein Problem. Wir freuen uns riesig über dieses Angebot, da wir am nächsten Tag tatsächlich die Einzigen auf dem Zeltplatz sind und somit die Wahrscheinlichkeit, von anderen Campern mitgenommen zu werden, auf Null sinkt.

Wir stehen also zur vereinbarten Zeit abholbereit am Zeltplatzeingang. Irgendwann zwischen 12 und 13.30 Uhr würde er vorbeikommen. Doch Lester kommt nicht, auch als es dann 14 Uhr ist. Es musste wohl etwas dazwischen gekommen sein. Telefonnummern haben wir nicht ausgetauscht, wozu auch – Netz gibt es ja hier in der Natur sowieso nicht.

Wir warten und warten, verbringen die Zeit mit Reisetagebuch schreiben, einem Steinweitwurfwettbewerb und dem Spiel „Ich sehe was, was du nicht siehst…und das ist Grün“. Hihi.

Ein junges Paar kommt von der Wanderung vom Cookson Kauri wieder. Wir hatten ihnen nach ihrer Ankunft geholfen, den Start des Wanderweges zu finden. Nach gut zwei Stunden haben sie den Track absolviert und wir hoffen noch immer auf Lester. Sie schmunzeln und fragen, ob sie helfen könnten. Der Akzent und die Wortwahl kommen uns sehr vertraut vor. Wir probieren es auf deutsch und siehe da……wir lernen Maike und Martin aus Oldenburg und Hannover kennen. Sie bieten an, uns mitzunehmen und sind sogar so freundlich, uns direkt vor unserem Motel in Thames abzusetzen. Was sind wir happy. Wir tauschen Telefonnummern aus. Unsere Wege würden sich schon bald wieder kreuzen, was wir jedoch zu dem Zeitpunkt noch nicht wissen können.

Die Motelbetreiberin öffnet die Tür zu unserem Zimmer. Flash! Wir sehen das Paradies. Ein Doppelbett, eine Mikrowelle, ein Wasserkocher, zwei Stühle und ein Badezimmer für uns alleine. Es gibt kaum etwas Schöneres als eine heisse Dusche, ein weiches Bett und saubere Klamotten nach mehreren Tagen auf dem Campingplatz. Das Leben kann so einfach und so schön sein!