Aussie Quicky

Heute ist der 26. August. Wir waren schon immer ein bisschen im Verzug mit unseren Blogeinträgen, aber noch nie so sehr. Deshalb schreibe ich heute über unsere Tage in Sydney. Beim Betrachten der Bilder stelle ich fest, dass wir Australien genau heute vor drei Monaten verlassen haben – oh je.

Und bevor ich diesen Artikel noch weiter aufschiebe, setzte ich mir nun folgendes Ziel: Komme was wolle, ich schreibe und lade diesen Blogbeitrag in den nächsten 90 Minuten hoch – ein Blog-Quicky sozusagen. Das passt auch ganz gut zu unserer Australien Reise. Wir haben diesem unglaublich grossen Land nur drei Wochen Besuchszeit gegeben. Das ist viel zu wenig, um den Kontinent wirklich kennenzulernen, richtig einzutauchen und intensiv zu erleben. Aber wir haben einen kleinen Eindruck bekommen.

In Napier/Neuseeland haben wir an einem Abend ein sehr nettes älteres Pärchen aus Sydney kennengelernt. Sie boten uns an, etwas mit ihnen gemeinsam zu unternehmen, falls wir mal in der Nähe sind. Und so kam es, dass wir bereits an unserem ersten Tag nach Ankunft in der Fünfmillionen-Stadt eine Einladung zum Frühstück hatten. Rosamund ging mit uns schnurstracks in ihr Lieblingscafe im Queen-Victoria-Building – ein stilvolles viktorianisches Einkaufsgebäude in dem wir uns in unseren zweckmässigen Roadtripklamotten ein bisschen „underdressed“ vorkamen.

Wir verbrachten den gesamten Tag mit unserer aufgeweckten Gastgeberin und lernten gleich ihr Sydney kennen. Sie arbeitete lange in der berühmten Oper und hörte gar nicht mehr auf, von den vielen Theaterstücken sowie Ballettaufführungen, die sie hier gesehen hat, zu schwärmen. Das Ballett ist ihre Leidenschaft. Sie war selbst Tänzerin und es scheint, sie tanzt noch heute durch ihr Leben. So viel Energie und Lebensfreude möchte ich auch in ihrem Alter haben. Aber welcher Jahrgang ist sie eigentlich? Sie vermeidet es ganz bewusst Jahresdaten zu nennen. Sie weiss, dass ihr Gegenüber anfangen würde zu rechnen. Auch auf meine direkte Nachfrage lächelt sie nur – eine Bühnenfrau eben. Sie spielt, kreiert Illusionen und geniesst ihr Publikum.

Am nächsten Tag sitzen wir mit Rosamund und ihrem Mann Gavin in ihrem Auto Richtung Blue Mountains. Sie nehmen uns mit ins Grüne und zeigen uns ihr „anderes“ Sydney. Gavin hatte früher ein kleines Unternehmen, welches Wanderungen in diesem Naturpark anbot – er kennt das Gebiet in- und auswendig und nimmt uns mit auf den „Grand Canyon Track“. Das Schild am Anfang des Weges weisst auf die Tour hin: drei bis vier Stunden mit vielen Stufen und Flussüberquerungen. Es war eine wunderschöne Wanderung durch eine Schlucht, die der Fluss vor Millionen von Jahren geformt hat. Wir staunen über die Fitness, die die beiden an den Tag legen. Es sind wirklich viele Stufen, die wir erst hinunter und dann wieder hoch gehen müssen. Die beiden sind ausgesprochen gut in Form. 

Nach der Tour legen wir noch einen Halt an einer Aussichtsplattform ein. Wir bekommen einen Überblick über das Gebiet. Es ist ein schöner, aber sehr touristischer Ort. Busse spucken Scharen von asiatischen Touristen aus, die alle hier ein (ach quatsch, mindestens zehn) Selfies oder Posenfotos machen wollen. Wir stehen an, um auch ein Foto ohne die anderen Menschen vor den berühmten Felsformationen „Three Sisters“ zu bekommen.

Während uns Gavin etwas zu dem Park erzählt, hören wir ein dumpfes Hupen. Der Busfahrer der Gruppenreisenden drängelt. Wieder einmal sind wir froh, dass wir nicht Teil einer solch organisierten Tour sind. Auch wenn wir nicht viel Zeit hatten, um uns Australien anzuschauen, diese Menschen haben wohl noch weniger. Es geht immer noch schneller. Bei einer Unterhaltung über diese Art des Reisens hörte ich einmal den Ausdruck „Touch and Go“. Der Begriff, der aus der Luftfahrt kommt, passt wunderbar, ist aber noch nicht für den Tourismus etabliert. Dann doch lieber ein Quicky.

P.S. Als wir uns Tage später von Rosamund per Telefon am Flughafen nochmal verabschieden, verrät sie uns ihr Geheimnis. Sie redet nicht gerne darüber, weil sie Vorurteile a la „in deinem Alter“ vermeiden möchte – sie wird im August 80 Jahre. Hut ab vor diesem Pärchen!

Magic Mountain

Es ist mehr als drei Stunden her, dass das Flugzeug in Sydney gestartet ist. Ich sehe aus dem kleinen Fenster, nehme viel braun, rot, etwas grün und ocker wahr, jedoch nichts, woran meine Augen haften bleiben. Die Crew kündigt den baldigen Landeanflug zu DEM touristischen Hotspot Australiens an: dem Uluru.

Wir haben erst den halben Kontinent überflogen und spüren nun besonders die Grösse Australiens. Wer die Karten Europas und Australiens übereinander legt, sieht, dass der „alte Kontinent“ komplett in Australien hineinpasst. So gesehen würden wir uns auf dem Weg von Istanbul nach Dublin jetzt etwa in Frankfurt befinden. Das ist natürlich nicht exakt, dient aber vielleicht dem Vorstellungsvermögen. Als Stadtbewohner aus Deutschland verschiebt sich nun mein Massstab für das was weit ist und was nicht. 

Dann dreht die Maschine zum Landeanflug. Meine Augen wandern erneut über die Landschaft. Plötzlich bleiben sie haften. Da ist er, erst weit weg, dann schnell grösser werdend. Ein Leuchten ist nicht zu erkennen, eher ein grosser grau wirkender und rechteckig aussehender Felsen mit Furchen. Der Schleier der Hitze, des Staubs oder vielleicht einfach nur das dreckige Flugzeugfenster filtern scheinbar seine Stahlkraft. Ich weiss, das die gleichen Dinge zu einer anderen Tageszeit in einem anderen Licht und auch mit einem anderen Blick des Betrachters komplett unterschiedlich aussehen können. Deshalb schmunzele ich kurz zuversichtlich in mich hinein und geniesse die Landung.

Uluru ist der Name, den die Anangu, die seit zehntausenden Jahren hier leben, diesem besonderen Ort gegeben haben. Vor etwa 30 Jahren wurde das Gebiet um diesen mächtig wirkenden Felsen an die Ureinwohner Australiens zurück gegeben. Bis dahin war der riesige Stein auch als Ayers Rock bekannt. 

Wer diesen Ort besuchen möchte, kommt am „Uluru-Village“ nicht vorbei. Ausser in den dort zusammengefassten Hotels etwas unterschiedlicher Kategorien gibt es inmitten dieser heissen, trockenen und von extrem lästigen Buschfliegen bewohnten Landschaft keine Möglichkeit, zu übernachten oder etwas einzukaufen. Und dieses künstlich erschaffene Village muss eine Gelddruckmaschine für die Eigentümer sein. Ich fühle mich etwas an den Berliner Plänterwald, dem beliebtesten Rummel in der früheren DDR, kurz vor seiner Schliessung erinnert. Alles funktioniert noch, wirkt aber „abgerockt“ und ist überteuert. Unser „Outback-Pioneer-Hotel“ war noch recht günstig. Jedoch zahlt man hier schlicht das drei- bis vierfache des Üblichen. Sicherlich ist zu berücksichtigen, das alles, also wirklich alles von aussen herangeschafft werden muss, das Meiste davon mit dem Flugzeug. Der nächste Ort Alice Springs ist rund 470 Kilometer Landstrasse entfernt. Dieser Aufwand spiegelt sich eben auch in einem Teil der Preise wider. Der Mangel an Wettbewerb verschärft die Preisbildung. Da wir, wie wahrscheinlich die meisten Besucher nicht länger als zwei Nächte bleiben, nehmen wir es hin. Wir sehen es als Eintrittskarte zu einem spannenden Erlebnis an einem der ungewöhnlichsten Orte der Welt.

Eine kleine Rebellion gegen die hohen Preise haben wir uns dann doch erlaubt. Der Shuttle, der ein paar Mal täglich vom Village zum wenige Kilometer entfernten Uluru fährt, hätte uns 49 australische Dollar pro Person (etwa 31 Euro) gekostet. Für jeweils zwanzig Fahrminuten Hin und Rück war uns das dann doch zu üppig. Was ist die Alternative?

Klar, wir hübschen nochmal eine Einkaufstüte auf. All die Touristen mit ihren eigenen oder gemieteten Autos wollten ja schliesslich auch dorthin. So haben wir uns an die Strasse gestellt, unser Lächeln und den Daumen nach oben gezeigt. Obwohl es noch nicht zehn Uhr war, spürten wir schon die trockene Hitze in unseren Knochen. Erneut warten wir nicht lange, bis uns Boris, ein russischer Tourist, einlädt, einzusteigen. Yippie, unser Entdeckungstag beginnt erfolgreich.

Boris hält zunächst am Aborigini-Kulturzentrum, das etwa eineinhalb Kilometer vom Uluru entfernt liegt und wir ohnehin besichtigen wollen. Es führt den Besucher in die Geschichte dieses ältesten bekannten indigenen Volkes der Welt ein und enthält viel Wissenswertes über die Region. Mittags machen wir uns dann zu Fuss auf den Weg zum eigentlichen Grund unseres Besuches. Uns begegnen wenige Touristen. Wir sind spät dran.

Nun stehen wir vor ihm. Vor uns ein grosses Schild, das uns unmissverständlich bestätigt, das wir am richtigen Ort sind. Zwei wirklich nervige Themen müssen an dieser Stelle erwähnt werden:

  • Es scheinen sich viele Menschen wenig um die Würde und Kultur eines anderen oder des eigenen Landes und deren Bewohner zu kümmern. Es ist nicht zu überlesen, das ausdrücklich darum gebeten wird, diese heilige Stätte nicht zu besteigen. Dennoch klettern leider zu viele Ignoranten wie in einer Kette die etwa 350 Meter dort hinauf. Kann eigentlich jeder Hans und Franz den Kölner Dom oder die Elbphilharmonie besteigen? Ich stelle mir vor, welche Befindlichkeiten es beim bayrischen Bergvolk hervorrufen würde, wenn täglich hunderte asiatische Touristen das Märchenschloss Neuschwanstein nicht nur besuchen, sondern auch erklettern würden. Ab Ende Oktober 2019 wird das nicht mehr möglich sein. Wo Appelle nicht helfen, müssen wohl Verbote her. Wen das Thema näher interessiert, sei der kurze und aufschlussreiche Artikel der Neue Zürcher Zeitung vom 26.Juli 2019 empfohlen (NZZ Artikel)
Im Vordergrund die Bitte, im Hintergrund die Ignoranz.
  • Das Elend mit den Buschfliegen ist wirklich gross. Sie kleben an jedem von uns zu Dutzenden und versuchen, in alle möglichen Körperöffnungen zu fliegen und zu krabbeln. Ich würde es nicht erwähnen, wenn es nicht eine wirkliche Plage gewesen wäre. Zeitweise hatte jeder von uns mehrere Dutzend dieser harmlos wie Stubenfliegen aussehenden Biester am Körper. Meine Phantasie geht mit mir durch und ich habe das Bild von einem grossen Haufen Notdurft vor meinem inneren Auge. Falls ich ein schlechtes Karma haben sollte und im nächsten Leben mein Dasein als Kot fristen muss, habe ich heute eine ganz genaue Vorstellung davon, wie es sich anfühlen muss. Das hat den Genuss des Aufenthaltes geschmälert. Ich gebe es zu.
Freiwillige Vollverschleierung – ein Versuch, sich vor den Plagegeistern zu schützen.

Nun zum interessanten Teil: der etwa zehn Kilometer langen Wanderweg rund um den roten, braunen oder grauen Felsen. Die Farben wechseln je nach Lichteinfall und Uhrzeit, was nicht unbedingt einander bedingen muss. Ich staune über bizarre Felsformationen, die die Anangu teilweise als rituelle Orte genutzt haben. So hatten bestimmte Felsvorsprünge ihre Bestimmung als Rückzugsort für die Geburt, als Schule oder für Initiationsriten heranwachsender junger Männer.

Bemerkenswert sind auch die Höhlenmalereien, die an wenigen ausgesuchten Plätzen vorzufinden sind. Über deren Alter erfahren wir nichts, stellen uns aber vor, wie hier bereits vor bis zu 40.000 Jahren die Vorfahren der Anangu ihre Lebensweise pflegten. Das hierarchische System innerhalb der weitverzweigten Aboriginistämme soll sehr komplex gewesen und in seiner Detailiertheit (nicht in seiner Auswirkung) dem des Kastensystems in Indien vergleichbar sein. Die über ganz Australien verteilten Stämme waren miteinander verbunden. Sie haben (wie andere sogenannte Naturvölker auch) im Einklang mit der Natur gelebt und sich als ein Teil von ihr, nicht über sie stehend, verstanden. Rund zweihundert Jahre nach der Kolonialisierung und Ausbeutung von Rohstoffen, Flora und Fauna, kann auch in diesem Teil der Erde, wie anderswo auch, von einem Gleichgewicht zwischen den berechtigten Interessen der Menschen und dem Recht aller anderen Lebewesen auf ihren eigenen Lebensraum keine Rede sein.

Im Schatten einer Felsformation sammelt sich Wasser. Man könnte es einen Tümpel nennen. Sofort beginnt das Leben, sich den Raum zurück zu erobern. Einige Pflanzen und sogar Bäume wachsen um ihn herum. Auf einem Hinweisschild lese ich, das es am Uluru eine grössere Artenvielfalt gibt, als sich mir auf den ersten und ungeschulten Blick (ohne Brille) erschliesst: 416 Pflanzenarten, 26 verschiedene Säugetiere (und weitere 20 sind bereits ausgestorben), 173 Vogelarten, 73 verschiedene Reptilien, vier Froschtypen sowie über Tausend Spezies von wirbellosen Tieren. Vereinzelt hören wir Vogelgezwitscher und hoffen, das sie doch bitte einige der Buschfliegen jagen und verspeisen mögen. Aber Hilfe ist von den kleinen gefiederten Freunden nicht zu erwarten. Es ist früher Nachmittag und brütend heiss. Die drei Liter Wasser sind nach etwa einem Drittel des Weges zur Hälfte verbraucht.

Nach längeren Streckenabschnitten haben die Ranger schattenspendende Unterstände errichtet. Wir nutzen diese jedes Mal für eine Verschnaufpause.

Stellen, die (wie oben beschrieben) für die Anangu besondere oder gar heilige Bedeutung haben, dürfen nicht fotografiert werden. Das ist kein Problem, da es auch sonst genug zu knipsen gibt.

Nach etwa vier Stunden sind wir tatsächlich einmal herumgewandert. Wieder dauert es keine zehn Minuten und ein älteres australisches Ehepaar nimmt uns vom Parkplatz mit zur Unterkunft. Sie selbst sind mit dem Camper unterwegs und wollten sich einen ersten Eindruck verschaffen, bevor sie sich am Folgetag auf den längeren Spazierweg machen. Sie haben die lange Strecke von Perth (Westaustralien) auf sich genommen, um einmal im Leben diesen magischen Felsen zu sehen. Es sei noch erwähnt, das auch sie nicht hinaufklettern wollen. Das macht sie uns noch sympathischer.

Warum nenne ich ihn magisch? Weil er jenseits der Mythen und Geschichten um ihn, allein schon aufgrund seiner Erscheinung auf mich wie dahin gezaubert wirkt, wie ein riesiges Raumschiff auf einer flachen Ebene. Er ändert seine Farben wie ein Chamäleon, wenngleich ihn das Rot der Erde berühmt gemacht hat. Wir dürfen dieses Farbenspiel nochmal am folgenden Morgen beobachten. Neben den natürlichen Farbgebungen hat ein Künstler ein Lichterfeld installiert, welches mit seiner Vielfalt eine wunderbare Ergänzung zum natürlich Gegebenen darstellt. Die Verbindung von Kunst und Natur ist hier gelungen.

Ich verabschiede mich von diesem Ort, der mir bisher als einziger auf der Reise auch Tage und Wochen später in meinen Träumen begegnet. Ob das was zu bedeuten hat, weiss ich nicht. Ich bin jedenfalls sehr froh, hier gewesen zu sein.

Down Under

Nach drei Wochen auf Tonga versetzt uns der Flughafen Sydney, auf dem wir einen kurzen Zwischenstop einlegen, mit seiner breiten Auswahl an Shopping-und Verpflegungsmöglichkeiten zurück in die uns bekannte westliche Konsumwelt. Alle unsere Sinne werden angeregt oder besser über-erregt. Es riecht nach einem Potpourri aus Parfums und Cremes, der Boden glänzt hell. Überall werden angeblich unwiderstehliche Schnäppchen beworben, Musik der Boutiquen mischt sich mit den Durchsagen zu den Flügen und den Telefongesprächen der geschäftig umher rennenden Passagiere. Wir sind wieder an einem uns vertrauten Ort angekommen, wohl fühle ich mich allerdings nicht. Dieses Gewusel ist im Moment zu viel für mich. Dennoch bin ich dankbar über die grosse Auswahl an gutem und gesundem Essen, das uns hier geboten wird. Wir kaufen uns je einen üppigen Salat, verkrümeln uns in eine Ecke und fragen uns, diese Flughafenszene beobachtend, welchen Eindruck wohl die Tongaer haben müssen, die zum ersten Mal nach Australien fliegen und hier landen.

Ist das Fluch oder Segen für sie?

In Melbourne angekommen möchten wir gleich zu unserer Unterkunft, die im Stadtteil Heidelberg West liegt. Wir fahren an einer Dresden Street vorbei, sehen einen Aldi und biegen in die Altona Street ab. Willkommen daheim. Naja, fast. Anders als zu Hause sind wir hier Anfang Mai mitten im Herbst. Von den Laubbäumen fallen gelb – orangene – rote Blätter und in ihnen sitzen Scharen von laut schreienden, bunt gefiederten Papageien. Die Zikaden, die überall auf den Bäumen und Strommasten trommeln, scheinen mit dem Federvieh im Wettstreit um den lautesten Ton zu stehen. Am Strassenrand sehen wir jede Menge Eukalyptusbäume, die einen intensiven für uns ungewohnt-aromatischen Duft versprühen. Gleichzeitig werden wir Zeugen eines dramatisch schönen Sonnenuntergangs. Diese Art von Reizüberflutung gefällt mir allerdings viel besser als die auf dem Flughafen – ich bin gespannt, was uns Australien in den nächsten drei Wochen noch zu bieten hat. 

Die Tage in Melbourne vergehen schnell. In unserem AirBnB fühlen wir uns Dank der überaus freundlichen Gastgeberin, ihren zwei süssen Hunden und unseren schottischen Mitbewohnern sehr wohl. Zu viert besuchen wir einige der Sehenswürdigkeiten, verbringen einen ganzen Tag im Stadtmuseum, schlendern durch ein paar der zahlreichen Parks und können an einem Abend sehen, wie die Pinguine zurück an Land kommen. Die Bucht in dem Stadtteil St. Kilda ist eine der wenigen Orte weltweit, an der sich eine Pinguinkolonie an einer von Menschen errichteten Bucht angesiedelt hat und sich weder vom Stadtgetümmel noch von den vielen Touristen gestört fühlt.

Am letzten Tag holen wir unseren Campervan ab. Da es keine Hochsaison mehr ist, bekommen wir vom Vermieter ein kostenloses Upgrade. Ist das ein Upgrade oder sind das drei Upgrades? Was uns da geboten wird, ist ein „Tiny House“ mit Mercedes-Benz-Antrieb – das Auto ist drei mal so gross wie unser lieb gewonnener „Papa Schlumpf“ in Neuseeland. In ihm gibt es weit mehr als wir brauchen. Sogar ein Kühlschrank ist hier drin. Einen Namen hat dieses Gefährt jedoch nicht auf seiner Tür zu stehen und so taufen wir es kurzerhand „Das lange Elend“. Es wird uns in den nächsten 10 Tagen von Melbourne nach Adelaide bringen. 

Gleich außerhalb der Metropole treffen wir auf unsere erste Gruppe Kängurus. Was in der Schweiz die Kühe sind, sind in Australien die Kängurus. Sie stehen friedlich grasend vor uns und wissen nicht, wie besonders ihr Anblick für uns gerade ist. Der Kopf ist ganz nah am Boden, die kleinen Vorderpfötchen hängen locker herunter, das gesamte Gewicht des Tieres ruht auf den Hinterbeinen und auf dem riesigen, dicken Schwanz. Wir trauen uns noch ein Stückchen näher heran. Die Gruppe besteht aus einer Vielzahl mittelgrosser Exemplare, einigen Kleinen und einem sehr stattlichen Tier. Dieses sieht uns auch zuerst. Es richtet sich auf, schaut uns an, schnüffelt ein wenig in unsere Richtung und entscheidet sich, davon zu hüpfen. Auch die anderen gucken nun hoch und machen es dem Anführer nach. Ich bin fasziniert, was für riesige Hopser diese Tiere machen und wie leicht ihnen dieses Hüpfen zu fallen scheint.

Auf unserer Reise begegnen wir noch vielen Kängurus und begeistert von ihrem Körperbau und ihren runden, braunen liebevollen Augen bleibe ich immer stehen, um sie zu beobachten. Die einzigen Momente, in denen wir auf keine der grossen Beuteltiere treffen wollen ist, wenn es draussen dämmert und wir noch mit dem Auto unterwegs sind – das ist die gefährlichste Zeit und die Unfallrate ist hoch. Zu viele der wunderschönen Tiere liegen rechts und links tot am Strassenrand. 

Wir fahren die berühmte und beliebte Küstenstrasse „Great Ocean Road“ entlang, machen aber auch immer wieder Abstecher ins Landesinnere, wo wir uns Wasserfälle anschauen, einen wunderschönen Spaziergang durch ein Stückchen des ursprünglichen Regenwaldes machen, auf eine fleischfressende Schnecke stossen und sogar einmal auf wilde Koalas treffen. 

Die Strecke an der Küste entlang ist so schön, dass wir alle paar Kilometer einen kleinen Stop einlegen, um die Natur zu bestaunen und Fotos zu machen.

Je näher wir dem Städtchen Port Campbell kommen, auf desto mehr andere Autos, Campervans und Reisebusse treffen wir. Denn hier in der Nähe steht die nach dem Uluru (früher „Ayers Rock“) meistfotografierte Sehenswürdigkeit Australiens – die zwölf Apostel. Dies sind jedoch weder die bekannten Freunde von Jesus, noch sind es zwölf. Es handelt sich hierbei um Felsformationen, die das Meer über Millionen von Jahren geformt hat. Jedes Jahr spülen die Wellen rund einen Zentimeter der Kalksteilküste ab. Nur die Bereiche, an denen der Stein fester ist, trotzen dem Meer und bleiben bestehen. So entstanden ganz langsam diese um die 60 Meter hohen Felsbrocken. 

Früher hiessen diese Steinsäulen übrigens „die Sau und die Schweinchen“, aber irgendjemand hat wohl in den 60er Jahren gedacht, dass „Zwölf Apostel“ seriöser klingt und mehr Touristen anlocken könnte. Oh ja, die Touristen sind auf alle Fälle da. Der Parkplatz war, obwohl Nebensaison, voll und wir fühlten uns schlagartig nach Asien versetzt. 

Nach diesem Highlight fahren wir wieder weg vom Meer und bekommen eine Idee, wie das Land abseits der Küste aussehen mag. Es ist sehr trocken und sandig. Auch in diesem Sommer fiel in dieser Region wenig Niederschlag. Die Menschen und die Natur litten erneut unter Rekordhitze.

Ein rosa schimmernder Salzsee ist fast ausgetrocknet. Er wirkt auf eine sehr bizarre Weise wunderschön.

Im Mai waren in Australien Wahlen – bei all den Wetterextremen mit denen das Land in den letzten Jahren zu kämpfen hat, ist es uns nicht verständlich, wieso ein konservativer Politiker, ein bekennender Kohleabbaufreund im Amt bleiben darf. Ein Umdenken im Klimaschutz wird es wohl von staatlicher Seite am anderen Ende der Welt nicht geben. Die Australier, mit denen wir nach dieser Wahl gesprochen haben, waren stark enttäuscht und verärgert – zu Recht.  Und trotzdem verlieren sie nicht Ihren Humor. Dieses Plakat ist uns positiv aufgefallen. Darauf ist in Grossbuchstaben folgendes zu lesen:

Besorge dir einen Schwimmreifen.*

Und ganz unten, ganz klein kommt die Auflösung:

*Der Meeresspiegel steigt weiter an. Diese Nachricht wird dir im Namen des Klimas übermittelt. 

Denn wenn schon die grosse Flut kommt, verhelfen einem die Schwimmreifen wenigsten dazu, den Kopf über Wasser zu halten und in Down Under nicht wortwörtlich „unten drunter“ zu sein. 🙂